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2023 | Buch

Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik Deutschland

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Über dieses Buch

Dieses Buch beschreibt den Stand der deutschen Wirtschaftspolitik. Die für die behandelten Politikbereiche relevanten theoretischen Konzepte werden ebenso vorgestellt wie ihre wirtschaftsgeschichtliche und institutionelle Entwicklung. Denn wirtschaftspolitische Debatten können nur verstanden werden, wenn sie in die wirtschaftsgeschichtliche Entwicklung des jeweiligen Landes eingebettet sind. Für Deutschland sind dies insbesondere seine einzigartige Startgrundlage aufgrund der kriegsbedingten Zerstörung und den demographischen Verschiebungen nach dem Zweiten Weltkrieg, die deutsche Wiedereinigung und die europäische Integration. Viele Politikbereiche, die in diesem Lehrbuch vorgestellt werden, zeugen von diesen unterschiedlichen Triebkräften der Nachkriegszeit. Jedes Kapitel umfasst den Stoff für eine Lehrveranstaltungswoche und enthält Zusatzmaterial sowie Übungsaufgaben für die ergänzende Wissensvertiefung und -überprüfung.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Wirtschaft und Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik Deutschland
Zusammenfassung
Nach Ende des 2. Weltkrieges stand Deutschland vor dem Nichts. Die Teilung Deutschlands führte in den Nachkriegsjahren zu einer sehr unterschiedlichen Entwicklung in den drei Westzonen bzw. der sowjetisch besetzten Zone, fortgesetzt in den beiden deutschen Staaten, Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik. In der Bundesrepublik kam es zu einer rasanten, nicht erwarteten wirtschaftlichen Erholung mit einer fast unvorstellbaren Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Ende der 1950er-Jahre war die Wiederaufbauphase zu Ende, es kam zu einer Stabilisierung auf hohem Niveau, die staatlichen Aufgaben wurden deutlich erweitert, der Sozialstaat wurde auf- bzw. ausgebaut. Erste Krisen Mitte der Sechzigerjahre sowie die Zäsur der ersten Ölpreiskrise 1973/74 leiteten zu ungewohnten wirtschaftspolitischen Situationen über: Mit jeder Krise in den folgenden Jahren kam es zu einem erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit, teilweise auch mit dauerhaft relativ hohen Inflationsraten. Mit der Wiedervereinigung im Jahre 1990 kamen völlig neue Fragestellungen in der Wirtschaftspolitik auf, die sich im Kern um die Transformation einer Zentralverwaltungswirtschaft in eine in den Welthandel eingebettete Marktwirtschaft drehten. Strukturell kam es mit der Agenda 2010 in der Mitte der 2000er-Jahre zu einem erheblichen Umbau des bundesdeutschen Sozialstaates. Finanz- und Coronakrise stellten die deutsche Wirtschaftspolitik vor völlig neue Fragen.
Thomas Wein
2. Wirtschaftsverfassung und ökonomische Theorie der Verfassung
Zusammenfassung
Staatsfundamentalnormen und Grundrechte bilden in ihrer Gesamtheit die Basis für die Wirtschaftsverfassung der Bundesrepublik Deutschland. Die Staatsfundamentalnormen „Rechtsstaat, Demokratie, Sozialstaat, Bundesstaat und Republik“ sind von so hoher Bedeutung, dass sie unveränderbar sind. Aus der Sicht der ökonomischen Verfassungstheorie ist dies plausibel, da bei Missachtung dieser Prinzipien hohe Diskriminierungskosten drohen. Die Grundrechte „Berufswahlfreiheit, Eigentumsschutz, Koalitionsfreiheit, Gleichbehandlung und allgemeine Handlungsfreiheit“ bilden die Leitplanken, innerhalb derer Marktwirtschaft in Deutschland gestaltbar ist. Die konstituierenden und regulierenden Prinzipien des Ordoliberalismus werden in der heutigen wirtschaftspolitischen Debatte für selbstverständlich genommen, zu Zeiten der Gründung der Bundesrepublik waren sie wichtige Gestaltungselemente der sich herausbildenden Sozialen Marktwirtschaft.
Thomas Wein
3. Wettbewerbspolitik
Zusammenfassung
Die Wettbewerbspolitik nutzt rechtliche Regeln, um Beschränkungen des Wettbewerbs zu bekämpfen. Beschränkungen können verursacht werden, wenn sich Marktteilnehmer abstimmen. Insbesondere wenn sie sich auf einen gemeinsamen Preis einigen, die anzubietende Menge künstlich klein halten oder Gebietsabsprachen treffen, schließen sie ein verbotenes Kartell. Vereinbarungen von Unternehmen, die zueinander in einem Vertikalverhältnis stehen, sind wettbewerbspolitisch differenziert zu betrachten. Liegt wirksamer Interbrand-Wettbewerb vor, sind derartige Vereinbarungen wettbewerbspolitisch unerheblich. Bei fehlendem Interbrand-Wettbewerb müssen die mit der Vereinbarung einhergehenden Vorteile die zu erwartenden Nachteile überwiegen. Wettbewerbspolitisch bedenklich wäre es, wenn marktmächtige Unternehmen ihre Macht ausspielen, um Wettbewerber zu behindern oder die Nachfrageseite auszubeuten. Die Marktmacht kann jedoch auch auf der Nachfrageseite liegen, sodass Anbieter auf vorgelagerten Stufen behindert oder aufgrund von Marktmacht zu günstigen Konditionen „erpresst“ werden. Unternehmenszusammenschlüsse können Marktmacht entstehen lassen oder bestehende verstärken. In der Fusionskontrolle ist dies zu prüfen und mit wettbewerbsverbessernden Wirkungen der Fusion abzuwägen. Im Rahmen der Ministererlaubnis soll der Wirtschaftsminister prüfen, ob die gesamtwirtschaftlichen Vorteile des Zusammenschlusses die Wettbewerbsbeschränkungen aufwiegen oder ein überragendes Interesse der Allgemeinheit an der Fusion vorliegt.
Thomas Wein
4. Rentenpolitik
Zusammenfassung
Rentenpolitik soll erlauben, im Alter den Lebensunterhalt bestreiten zu können, ohne erwerbstätig zu sein, sowie im Falle von Erwerbsunfähigkeit Einkommen zu gewähren und Hinterbliebene zu versorgen. Die Höhe der gesetzlichen Rente in Deutschland richtet sich nach den erzielten Jahreseinkommen im Vergleich zu den jährlichen Durchschnittseinkommen, dem Zeitpunkt des Renteneintritts, dem Rentenversicherungszweck und dem aktuellen Rentenwert. Der aktuelle Rentenwert schreibt die allgemeine (Brutto-/Netto-)Lohnentwicklung fort und berücksichtigt die demografische Zusammensetzung der Bevölkerung sowie die „Ausbaustufe“ der privaten, steuerlich geförderten Altersversorgung. Die Alterssicherung ist eine Vorsorgeleistung, für die während der Erwerbstätigenphase vorgesorgt werden kann (sparen). Der Schutz gegen Invalidität und für Hinterbliebene zeigt jedoch auch, dass der „Schadens“eintritt unsicher ist (klassische Versicherungsfunktion). Im Falle individuellen Sparens kann der Einzelne nicht absehen, welche Summe bis zum Lebensende ausreichend ist (Langlebigkeitsrisiko). Ein Dauerbrenner der Rentenpolitik ist die Frage, ob das Umlage- oder das Kapitaldeckungsverfahren besser geeignet ist. Ferner: Reicht die gesetzliche Rente und werden die zukünftigen Beitragszahler durch die zu erwartenden Beitragssätze nicht überfordert? Welche Rentenpolitik wird in der Demokratie verfolgt und welche Rolle spielt dabei der Medianwähler in einer alternden Gesellschaft?
Thomas Wein
5. Gesundheitspolitik
Zusammenfassung
Die deutsche Gesundheitspolitik wird sehr stark von den gesetzlichen Krankenversicherungen getragen. Circa 9/10 der Gesamtbevölkerung ist dort versichert und erhält von ihnen Leistungen im Rahmen der ambulanten Versorgung, der stationären Krankenhausbehandlung und für Medikamente bzw. Heilmittel. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall spielt heutzutage nur noch eine geringe Rolle, da für die ersten sechs Wochen der Krankheit der Arbeitgeber zahlt. Die internen Organisationsstrukturen und Finanzierungsströme in der gesetzlichen Krankenversicherung sind komplex. Die restliche Bevölkerung ist über die Beihilfe bzw. über private Krankenversicherungen abgesichert. Deutschland hat kein Problem, nicht krankenversichert zu sein. Gesundheitsgüter könnten durch Marktversagen in ihrer Bereitstellung belastet sein. Es wird untersucht, welche Marktversagensargumente hier greifen, insbesondere im privaten Krankenversicherungsmarkt. Inwiefern drohen Probleme der adversen Auslese und des moralischen Risikos? Der durchaus nachvollziehbare Wunsch, langfristig konstante Prämien zu bekommen, könnte den Wettbewerbsprozess im Krankenversicherungsmarkt wesentlich beschränken. Welche Rolle spielen Trittbrettfahrerprobleme im Gesundheitswesen?
Thomas Wein
6. Umweltpolitik
Zusammenfassung
Die „Nutzung“ der natürlichen Umwelt stellt einerseits ein Problem der negativen technologischen externen Effekte dar: Haushalte/Unternehmen erzeugen bei anderen Haushalten oder Unternehmen Kosten außerhalb des Marktsystems, ohne für diese einzustehen. Umweltprobleme entstehen andererseits aber auch häufig durch die Nutzung erschöpflicher Ressourcen. In der Ökonomik kommen Umweltgefährdungen nur in den Blick, wenn sie von Menschen als solche wahrgenommen werden. Konzepte der Nachhaltigkeit wollen die Zielformulierung breiter ethisch verankern; selbst wenn diese Ansätze naturwissenschaftlich begründete Zielformulierungen zugrunde legen, bleiben Umweltfragen eine gesellschaftliche Abwägungsentscheidung. Aufbauend auf die idealtypischen Lösungsansätze der Pigou-Steuer und des Coase-Theorems wurden pragmatische Instrumente entwickelt: Auflagen, Abgaben und Zertifikate. Diese Instrumente werden üblicherweise mit den Kriterien der statischen Effizienz, der ökologischen Treffsicherheit und der dynamischen Anreizwirkung bewertet. Abgaben und Zertifikate schneiden theoretisch sehr gut bei der statischen Effizienz ab, Zertifikate und Auflagen liegen bei der Treffsicherheit vorne. Die Abgabe „gewinnt“ bei der dynamischen Anreizwirkung. Naturgemäß sind konkreten Maßnahmen, die in Deutschland eingesetzt werden, weniger eindeutig zu bewerten. Internationale Umweltvereinbarungen wie zum Klimawandel sind schwierig durchzusetzen, weil es an einer Durchsetzungsinstanz fehlt.
Thomas Wein
7. Energiepolitik
Zusammenfassung
In der Energiepolitik ist zu entscheiden, wie mit den negativen externen Effekten der Energieversorgung umzugehen ist, wie die schwankende Stromnachfrage zu berücksichtigen ist, wie die verschiedenen Formen der Stromerzeugung kostengünstig einzusetzen sind und in welchem Ausmaß Wettbewerb möglich ist bzw. natürliche Monopole zu regulieren sind. In Deutschland galten lange Zeit Monopolstrukturen, erst seit etwa 20 Jahren herrscht in manchen Bereichen des Strom- und Gasmarktes Wettbewerb. Netzbetreiber unterliegen vor allem einer Erlösobergrenzenregulierung. Regulierung und Wettbewerb sind die wichtigsten Instrumente, um das Ziel der preisgünstigen Energieversorgung zu erreichen. Für den kostengünstigen Einsatz von Stromerzeugungskapazitäten kommt es vor allem auf die Merit Order an. Schwankende Stromnachfrage könnte den Einsatz der Spitzenlastpreisbildung rechtfertigen. Die negativen externe Effekte werden im umweltpolitischen Kapitel behandelt (Kap. 6), dort entscheidet sich auch die Umsetzung der umweltverträglichen Energieerzeugung. Das Ziel der Versorgungssicherheit spielt im Rahmen des Strommarktes in Form der allzeitigen Sicherstellung von Einspeisung = Auspeisung eine zentrale Rolle. Im Gasmarkt schlägt es sich in einer ausreichenden Importunabhängigkeit nieder. Gerade das Beispiel der Gasversorgung zeigt die Notwendigkeit der Analyse der vorgelagerten Märkte der (fossilen) Energieträger. Ebenso spiel(t)en Kernenergie und die erneuerbaren Energien eine wichtige Rolle.
Thomas Wein
8. Verkehrspolitik
Zusammenfassung
Verkehrspolitisch wurde in Deutschland über lange Zeit hinweg der Wettbewerb begrenzt, wenn nicht sogar ausgeschaltet. Die für diese Regulierung vorgebrachten Argumente der Besonderheitenlehre, die ruinösen Wettbewerb vermuteten, sind mit dem heutigen Stand der Wissenschaft kaum mehr vereinbar. Einschlägig sind nur noch das Auftreten negativer technologischer externer Effekte sowie das Bestehen eines natürlichen Monopols. Externe Kosten entstehen aus dem Aufbau der Verkehrsinfrastruktur und deren Nutzung. Bei der Nutzung geht es zuvörderst um den CO2-Ausstoß, der jedoch mittelfristig über den Emissionshandel begrenzt werden soll. Als „Restemissionen“ bleiben dann noch v. a. Feinstäube und Lärm. Ob Stau- und Unfallkosten zu externen Effekten führen ist fragwürdig. Weite Teile des Straßengüterverkehrs, des Luftverkehrs, der Binnenschifffahrt und der Fernbusse sind für den Wettbewerb geöffnet worden, vor allem aufgrund europäischer Vorgaben. Über lange Zeiträume hinweg wurde die Bahn vor Wettbewerb geschützt, jetzt ist für sie nur noch eine umfangreiche Regulierung der Schieneninfrastruktur erforderlich, sowohl um kostendeckende Preise als auch um diskriminierungsfreien Zugang sicherzustellen. Für die Trassenpreis gilt seit 2016 eine Anreizregulierung, für Bahnhöfe eine Kostenzuschlagsregulierung. Um Diskriminierungen zu unterbinden, mag es erforderlich sein, Netz und Betrieb eigentumsrechtlich zu separieren, die bestehende organisatorische Separierung mag „zu kurz springen“.
Thomas Wein
9. Arbeitsmarktpolitik
Zusammenfassung
Das grundgesetzliche Sozialstaatsgebot sowie die Freiheit der Berufswahl setzen im Grundsatz die Absicherung im Falle von Arbeitslosigkeit und allgemeiner die Grundsicherung jedes Einzelnen voraus. Das Risiko, arbeitslos zu sein, wird seit fast über 100 Jahren durch paritätische Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgesichert. Fast seit gleicher Zeit versucht der deutsche Staat, aus Steuergeldern eine Mindestsicherung seiner Bürger zu gewährleisten. Beide Systeme kommen insbesondere dann an ihre Grenzen, wenn die Arbeitslosigkeit hoch ist. Der vermeintliche Versicherungsschutz bei Arbeitslosigkeit droht dann schnell leer zu laufen. Gleiches gilt auch für die Grundsicherung. Dort kommt aber die Frage hinzu, ob der Mindestschutz nur bei Bedürftigkeit und subsidiär zu gewähren ist. Sozialhilfefalle und das Lohnabstandsgebot zeigen, dass die Grundsicherung nicht losgelöst vom erzielbaren Markteinkommen ist. Viele administrative Regelungen des Bürgergeldes laufen darauf hinaus, Leistungen an die Erfüllung von Vorgaben zu binden, um nur bei wahrer Bedürftigkeit zu zahlen und Anreize zu setzen, sobald wie möglich die Grundsicherung wieder zu verlassen. Im Extremfall des workfare-Ansatzes dürften arbeitsfähige Bedürftige nur Leistungen beziehen, wenn sie ihre Arbeitskraft umfänglich zur Verfügung stellen. Im bedingungslosen Grundeinkommen würde man auf all diese Voraussetzungen verzichten, handelt aber sich damit sehr schnell den Vorwurf der fehlenden Finanzierbarkeit ein.
Thomas Wein
10. Bildungspolitik
Zusammenfassung
Bildung wird nachgefragt, wenn der Nutzen der Bildung die daraus folgenden Kosten übersteigt. Als Kosten fallen die direkten Kosten der Ausbildung sowie die indirekten Kosten in Form von entfallenden Arbeitseinkommen während der Ausbildung an. Nutzen der Ausbildung sind höhere Arbeitseinkommen, geringere Arbeitslosigkeitsrisiken und höhere Arbeitszufriedenheit. Bildung hat sicherlich auch eine gesellschaftliche Komponente: In einer gebildeten Gesellschaft werden bessere kollektive Entscheidungen getroffen als in einer ungebildeten, Kriminalität nimmt ab oder mehr Gesundheits- und Umweltbewusstsein entsteht. Die Humankapitaltheorie diskutiert, ob neben betriebsspezifischen Qualifikationen auch berufsfachliche Kompetenzen vom Arbeitgeber mitfinanziert werden. Screening und Signaling im Bildungsmarkt meint, dass sich produktivere Arbeitskräfte durch den Abschluss eines Studiums/einer Ausbildung von unproduktiveren glaubhaft abheben können. Aus ökonomischer Sicht sind bei Bildung die für ein öffentliches Gut konstitutiven Merkmale der Nicht-Rivalität und der Nicht-Ausschließbarkeit wenig zutreffend, verteilungspolitische Argumente und der Wunsch nach Startchancengerechtigkeit machen viel eher eine staatliche Bereitstellung plausibel. Die Qualität der Schulen bzw. die Kompetenzen der Schüler im internationalen Vergleich (PISA-Test u. a.), die soziale Herkunft als Determinante schulischen Erfolgs und Studiengebühren waren wichtige Felder der deutschen bildungspolitischen Debatte in den letzten beiden Dekaden.
Thomas Wein
11. Familienpolitik
Zusammenfassung
Familienpolitik stellt alle Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Institution Familie oder einzelner Familienmitglieder dar. In den vergangenen Jahrzehnten wurde weniger und später geheiratet und es wurden weniger Kinder geboren. Die traditionelle Familie (Ehepaar mit leiblichen Kindern) dominiert zwar immer noch, andere Formen der Familie spielen aber eine deutlich größere Rolle. Der Staat greift in vielfältiger Form unterstützend zugunsten von Familien ein. Kindergeld wird gezahlt bzw. konkurrierend im Einkommensteuerrecht ein Kinderfreibetrag gewährt. Elterngeld übernimmt max. in den 14 ersten Lebensmonaten eines Kindes eine Lohnersatzfunktion. Das Ehegattensplitting steht in ständiger Kritik, insbesondere weil es die Zweitverdiener in der Paarbeziehung, meist die Frauen, quasi in die Teilzeit treibe. Rechtliche Maßnahmen im Arbeits- und Familienrecht haben teilweise erhebliche Bedeutung für den Schutz der Kinder und der Familie, regeln aber auch Lastverteilungen im Fall einer Scheidung. Die verfügbaren Theorien zu Heirat und Familie betonen, es komme auf die Kosten und Nutzen an, wie Paare die Arbeit untereinander aufteilen. Die Theorie komparativer Kostenvorteile legt eine Spezialisierung der Partner nahe, was Juristen als „Erwerbs- und Wirtschaftsgemeinschaft“ bezeichnen. Nach neueren Theorien kommt es auch auf die Nutzen der Parteien an, wenn die Paarbeziehung nicht bestehen würde („Drohpositionen“).
Thomas Wein
12. Stabilisierungspolitik
Zusammenfassung
Spätestens mit dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967 wurde in Deutschland die Stabilisierungspolitik „geboren“. Ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht mit Preisniveaustabilität, hohem Beschäftigungsstand, stetigem und angemessenem Wachstum sowie außenwirtschaftlichem Gleichgewicht soll danach angestrebt werden. Nach dem „postkeynesianischen“ Paradigma kann ein exogener Schock den Rückgang der effektiven Nachfrage bewirken, das Vollbeschäftigungsgleichgewicht wird verfehlt. Diesem Paradigma folgend kommen die Märkte nach einem exogenen Schock von sich aus nicht wieder ins Gleichgewicht („inhärent instabil“). Der Staat sollte – nach diesem Paradigma – mit Hilfe höherer Staatsausgaben oder Steuersenkungen positive Multiplikatoreffekte erzeugen und damit das Vollbeschäftigungsgleichgewicht ermöglichen. Niedrige Zinsen könnten hier flankierend die Investitionen der privaten Unternehmen „anheizen“. Im „neoklassischen“ Paradigma sind Märkte inhärent stabil, ein stabilitätspolitischer Handlungsbedarf besteht nicht; nur die Geldmenge sei zu steuern und die (langfristigen) Angebotsbedingungen der Wirtschaft sind zu verbessern. Die Globalsteuerung von 1966–82 sowie die beiden Konjunkturprogramme zur Finanzmarkt-/Weltwirtschaftskrise 2009/10 sowie zur Corona-Pandemie 2020 hatten positive Wirkungen, konnten aber keine Wunder bewirken. Überzeugenden theoretische Argumente und gravierende Umsetzungsprobleme legen Konjunkturprogramme nur nahe, wenn es sich „um große Krisen“ handelt.
Thomas Wein
Backmatter
Metadaten
Titel
Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik Deutschland
verfasst von
Thomas Wein
Copyright-Jahr
2023
Electronic ISBN
978-3-658-42124-3
Print ISBN
978-3-658-42123-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-42124-3

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