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12.08.2020 | VR-Technologien | Interview | Online-Artikel

"Mitarbeiter arbeiten in der virtuellen Welt am Projekt"

verfasst von: Andrea Amerland

5 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Dr. Uwe Wössner

leitet seit 2004 die Abteilung Visualisierung am HLRS.

Während Unternehmen in der Corona-Krise noch über Vorteile und Grenzen des Homeoffice diskutieren, haben mehrere Universitäten eine VR-Softwarelösung dafür entwickelt. Springer Professional sprach mit Uwe Wössner über standortübergreifende Zusammenarbeit im dreidimensionalen Raum. 

Springer Professional: Die Universität Stuttgart ist an der Entwicklung einer Softwareplattform beteiligt, die eine standortübergreifende Zusammenarbeit im drei-dimensionalen Raum ermöglicht. Welche Vorteile bietet eine solche Virtual-Reality-Lösung für die Zusammenarbeit von Teams im Vergleich zu Tools wie Video-Konferenz-Lösungen und Desktop Sharing, die bereits jetzt im Homeoffice zum Einsatz kommen?

Uwe Wössner: Sie können die kooperative VR-Umgebung gut mit einem Video-Konferenz-System vergleichen. Denn auch dort kann man mit den Kollegen reden und bei Bedarf ein Bild von ihnen sehen. Zudem gibt es dreidimensionale Daten, an denen Teams arbeiten. Unsere VR-Software geht aber weit über das gemeinsame Betrachten von Daten hinaus. Dadurch, dass wir Simulationen oder CAD-Anwendungen direkt an die VR-Umgebung anbinden, interagieren Mitarbeiter mit der virtuellen Welt, modifizieren diese und führen Besprechungen nicht nur durch, sondern arbeiten gemeinsam am Projekt.

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Wie hoch ist der Realitätsgrad der Avatare in der VR-Umgebung? Haben sie das Aussehen der Beteiligten und falls ja: Wie wird das technisch gelöst?

Aufgabe der Avatare ist vor allem, den Beteiligten zu zeigen, wer wo steht, was jemand macht, wohin wer schaut oder zeigt. Diese Grundanforderungen können auch schon sehr einfache Avatare umsetzen. Schwieriger wird es bei der subtilen Körpersprache. Die Gesichtsmimik lässt sich beim Tragen eines Head-Mounted Displays (HMDs) gar nicht, in Cave Automatic Virtual Environments (CAVEs) nur mit sehr großem Aufwand aufnehmen. Wir haben uns daher für ganz abstrakte einfache Avatare entschieden, die zudem den Vorteil haben, dass sie nicht im Weg stehen und die Sicht verstellen wie reale Personen oder realistische Avatare. Zusätzlich können wir 2D-Videos der Beteiligten in der 3D-Umgebung darstellen, wodurch eine persönlichere Kommunikation möglich wird, bei der man sich tatsächlich in die Augen schaut.

Bau- und Architekturprojekte werden dreidimensional ganz anders erlebbar. Hier wird statt eine VR-Brille ein so genannter CAVE genutzt.


Welche Möglichkeiten bietet die Software, um den nötigen Projektbezug für Unternehmen herzustellen? 

Im Automobilbau simulieren wir beispielsweise die Aerodynamik von Fahrzeugen, die Kühlung des Motors, von Batterien oder auch die Klimatisierung im Fahrzeuginnenraum. Ein Team kann in einer virtuellen Sitzung im Fahrzeug sitzen und die Simulationsergebnisse analysieren. Durch die direkte Anbindung von Supercomputern sind während solch einer kooperativen VR-Sitzung Änderungen an der Geometrie möglich, etwa an der Position einer Luftdüse. Der Supercomputer berechnet die neue Luftströmung und Temperaturverteilung, sendet die Ergebnisse an alle Partner und diese können dann sowohl die funktionalen Auswirkungen als auch das optische Design studieren. 

Welche Vorteile bietet das?

Dies ermöglicht es, sehr viele Varianten in sehr kurzer Zeit effizient zu analysieren. Durch den Einsatz von Erweiterter Realität können auch reale Experimente wie ein Windkanalexperiment in solch ein kooperatives Meeting integriert werden. Im Windkanal stehen alle Avatare um das reale Fahrzeug und die Mess- und Simulationsergebnisse sind sichtbar. Die entfernten Partner können sich zusätzlich zu den virtuellen Inhalten auch das Bild des Windkanals einblenden. 

Mittels Augmented Reality können in der Automobilproduktion Luftströme simuliert und analysiert werden.


Wie sieht es mit dem Projektbezug in der VR-Umgebung für andere Branchen und Projekte aus?

Wir setzen das System in vielen unterschiedlichen Bereichen ein: Durch die Anbindung eines Building Information Modeling-Systems, kurz BIM, können Gebäude komplett in VR geplant und in einer gemeinsamen virtuellen Baustellenbegehung begutachtet werden, noch bevor die Baugrube ausgehoben ist. Sie können dabei Größen, Abstände, Sichtbarkeiten, Erreichbarkeiten viel besser erkennen als in 2D-Plänen. Dadurch kommt es zu weniger Missverständnissen und Planungsfehlern. Wenn Sie dann Änderungen in der virtuellen Welt vornehmen, zum Beispiel eine Tür oder eine Wand verschieben, wird dies sofort in der BIM-Datenbank gespeichert und alle Bauteillisten und Ausführungspläne aktualisiert. Noch ein anderes Beispiel: Im Maschinen und Anlagenbau können Sie einen virtuellen Zwilling ihrer Anlage während der Konstruktion oder auch später zur Laufzeit dreidimensional begehen sowie Funktionsabläufe analysieren.

Welche Möglichkeiten bietet das Tracking, damit die realen Bewegungen eines Nutzers in die virtuelle Umgebung übertragen werden können?

Ein exaktes Tracking ist essentiell, um mit den virtuellen Inhalten sauber interagieren zu können. Wir setzen dabei in der Regel auf optische Trackingsysteme, die auch aus dem Motion Capture in der Filmproduktion bekannt sind, durch die Objekte millimetergenau lokalisiert werden können. Besonders dann, wenn virtuelle und reale Objekte miteinander kombiniert werden, ist jede noch so kleine Abweichung sehr störend.

Reicht ein normaler Büro-Rechner aus, um die VR-Software im Homeoffice nutzen zu können?

Für den Betrieb eines HMDs sollte der Rechner über eine dedizierte Grafikkarte verfügen. Erst dann ist gewährleistet, dass die Bilder mit hoher Bildrate und ohne störende Ruckler beim Betrachter ankommen. Die restliche Rechnerausstattung hängt von der jeweiligen Anwendung ab. Wollen Sie nur ihr Eigenheim mit Ihrem Architekten und der Bauleitung betrachten, so reicht ein Laptop mit dedizierter GPU aus. Wollen Sie jedoch die Entrauchung in einem Hochhaus analysieren, sollte es eine leistungsfähigere Workstation sein. Der Gaming PC der Tochter reicht aber in jedem Fall aus.

Wie hoch ist der Einrichtungsaufwand für den Anwender?

Der Betrieb eines billigen HMDs ist heute sehr einfach, zwei Kabel einstecken und es kann los gehen. HMDs mit genauerem externen Tracking sind einmalig etwas aufwändiger, da das Trackingsystem aufgebaut und eingemessen werden muss, das sollte aber nicht länger als 15 Minuten dauern. Der Vorteil ist dabei, dass das Tracking dann genauer und stabiler ist und auch Augmented Reality Anwendungen möglich werden.

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