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Erschienen in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft 7-8/2023

Open Access 07.06.2023 | Originalbeitrag

Überlegungen zur Dimensionierung und Ausführung des Systems Schwammstadt für Bäume

verfasst von: DI Anna Zeiser, DI Sebastian Rath, DI Karl Grimm, DI Stefan Schmidt, Mag. Dr. Gernot Klammler, DI Daniel Zimmermann, DI Erwin Murer, DI Thomas Roth, DI Dr. Peter Strauss, DI Dr. Thomas Weninger

Erschienen in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft | Ausgabe 7-8/2023

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Zusammenfassung

Das System Schwammstadt für Baume ist eine spezielle blau-grüne Infrastrukturmaßnahme, die neben dem dezentralen Rückhalt von Niederschlagswasser im verbauten Siedlungsraum vor allem das Potenzial und den Fokus hat, die Vitalität und die Wachstumschancen von Bäumen maßgeblich zu verbessern. Obwohl bereits einige Projekte dieser Art in Österreich umgesetzt wurden, gibt es noch viele offene Fragen und Unklarheiten zur Dimensionierung, Planung und Ausführung des Systems und vor allem Potenzial für dessen Optimierung, sodass seine Multifunktionalität in größtmöglichem Ausmaß erfüllt werden kann. Basierend auf Erkenntnissen aus bodenhydrologischen Laboruntersuchungen des Schwammstadtsubstrats und aus etablierten und bereits mehrjährig betriebenen Monitoringprojekten im Reallabor- und Straßenraummaßstab beschreibt die vorliegende Arbeit die neuralgischen Elemente und Fehlerquellen auf der Basis einer konzeptionellen Analyse der stattfindenden hydrologischen Prozesse. Sie soll aufzeigen, worauf bei der Etablierung eines solchen Systems geachtet werden soll, um neben der Konstruktion eines unterirdischen Retentionsraums die Versorgung des Baums als zentrales Element mitzudenken. Zusätzlich werden verschiedene bekannte Fehler bei der Ausführung aufgezeigt, welche die hydrologische Funktionalität maßgeblich beeinflussen können. Die vorliegenden Ergebnisse und Gedanken sollen Anstoß zur Diskussion sein und in laufenden und zukünftigen Projektvorhaben als Stütze dienen.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einleitung

Im Angesicht der Klimakrise und der damit einhergehenden Folgen für mitteleuropäische Siedlungsräume, allen voran der Zunahme der Starkregenereignisse, der Verschärfung des urbanen Hitzeinseleffekts (UHI), dem gehäuften und intensiveren Auftreten von Trocken- und Hitzephasen und der daraus resultierenden verminderten Aufenthaltsqualität im urbanen Freiraum, stehen die Zuständigen aus Verwaltung, Planung und Ingenieurskunst vor wachsenden Herausforderungen (O’Donnell und Thorne 2020; Guerreiro et al. 2018). Als mögliche Strategie zur Klimawandelanpassung, die auf die kombinierte Lösung dieser Probleme abzielt, werden vermehrt ein integriertes Regenwassermanagement und eine wassersensible Stadtentwicklung genannt. Natur-basierte Lösungen in verschiedenen Ausführungen, häufig als „blau-grüne Infrastrukturen“ bezeichnet, nehmen eine zentrale Rolle dabei ein (Pitha et al. 2022). Sie dienen alle dem Ziel, die Städte und Siedlungen vermehrt in (gedachte) Schwämme zu verwandeln, um Regenwasser speichern und nützen zu können, was die Begriffe „Schwammstadt“ oder „sponge city“ visualisieren sollen. Dies soll eine Rückkehr zu einem natürlicheren hydrologischen Kreislauf mit dem Fokus auf Rückhalt, Verdunstung und Versickerung von Niederschlagswasser im Siedlungsraum ermöglichen (Pucher et al. 2022). Konkret sollen dadurch vor allem Abflussspitzen in der Kanalisation oder in Vorflutern vermindert werden. Durch die Versickerung kann stellenweise auch ein bemerkenswerter Beitrag zur Grundwasserneubildung geleistet werden (Bonneau et al. 2017).
In Österreich etablierte sich der Begriff „Schwammstadt“ in den letzten Jahren vor allem begleitet vom Attribut „für (Stadt)Bäume“ als die Bezeichnung für eine im deutschsprachigen Raum junge, baumfokussierte Maßnahme im Repertoire der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung. Das Kernelement bildet die gezielte Erweiterung des Wurzelraums auch unter versiegelten und verdichteten Oberflächen durch die Herstellung eines durchwurzelbaren und tragfähigen porösen Unterbaus. Aufgrund der Porenstruktur dieser Konstruktion wird auch eine gezielte Einleitung von Niederschlagswasser ermöglicht. Der Fokus liegt hierbei auf der Verbesserung der Langlebigkeit und Vitalität der Bäume im verbauten Raum (Zeiser et al. 2022). Bäume spielen eine wesentliche Rolle im urbanen Wasserhaushalt, insbesondere durch Interzeption von auftreffendem Niederschlag, Transpiration von im Stadtboden gespeichertem Wasser und Verbesserung der Infiltration in das Substrat der Baumscheibe. Diese Funktionen führen neben einer Reduktion von Oberflächenabfluss gemeinsam mit dem Beschattungseffekt auch zu einer Temperaturreduktion im verbauten Raum (Berland et al. 2017; Kuehler et al. 2017; Schwaab et al. 2021). Die Schwammstadt für Bäume bietet somit eine neuartige Möglichkeit zur Kombination der Wirkungen von vitalen Stadt- und Straßenbäumen und dem Rückhalt von Starkregen. Infolgedessen müssen auch die Überlegungen zur Auslegung beider Gesichtspunkte, die sich teilweise gegenläufig auswirken, kombiniert werden.
Die für die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung in Österreich derzeit primär angewandten Normen und Richtlinien (ÖWAV-Regelblatt 45, ÖNORM B 2506‑1 und 2, DWA‑A 138, oder auch die Richtlinien der Bundesländer) beschreiben Maßnahmen und Vorgehensweisen, die in erster Linie auf eine rasche Entwässerung des urbanen Raums durch Versickerung mit vorgeschalteter Reinigung abzielen. Das System der Schwammstadt für Bäume bietet neben der Einleitung von Niederschlagswasser zur reinen Versickerung vor allem auch den Vorteil, dass ein Teil des Wassers pflanzenverfügbar im Substrat gespeichert und den darin gepflanzten Bäumen für die Verdunstung zur Verfügung gestellt wird. Dies wirkt dem UHI entgegen und stellt einen wesentlichen Fortschritt bei der Wiederherstellung eines naturnäheren hydrologischen Kreislaufs dar. Die Anforderungen an die Dimensionierung, Auslegung und Planung dieses Systems gehen daher über die Verfahren aus den etablierten Regelwerken hinaus. Würde man die Schwammstadt für Bäume ohne der Verdunstungskomponente betrachten, so würde sie am ehesten dem Rohr-Rigolenelement mit – je nach Ausführung – integrierten Mulden-Rigolen-Elementen aus den Regelwerken DWA‑A 138 (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) 2005) und ÖWAV-Regelblatt 45 (Österreichischer Wasser- und Abfallwirtschaftsverband (ÖWAV) 2015) entsprechen.
Besonders herausfordernd bei der Umsetzung des Prinzips Schwammstadt für Bäume in Planung und Ausführung ist die Interdisziplinarität, die eine Kooperation und ein gegenseitiges Verständnis von den Zuständigen für Wasser und Baum (letzteres häufig durch Landschaftsarchitekturbüros abgedeckt) erfordert. Damit das System für beide Schwerpunkte funktioniert, also neben der hydrologischen Funktionalität auch den Baum fördert, sind eine gute Detailplanung und Begleitung der Ausführung notwendig (Orta-Ortiz und Geneletti 2022). Damit Hand in Hand soll auch eine durchdachte hydrologische und baumphysiologische Charakterisierung der verwendeten Schwammstadtsubstrate gehen, die Raum für weitere Optimierungen und Entwicklungen sowie Abwandlungen auf lokale Gegebenheiten zulassen und die Basis für eine gute Dimensionierung bilden. Aufgrund dieser Multifunktionalität des Systems Schwammstadt für Bäume muss bei der Auslegung und Dimensionierung neben dem zugrunde liegenden Starkregenfall und der daraus resultierenden Speichergröße und Infiltrationskapazität des Systems für eine sichere Ableitung dieses Niederschlagswassers, wie dies bei solchen Entwässerungsanlagen üblich ist, auch die Optimierung des Bodenwasserspeichers bedacht werden. Wesentliches Ziel muss es sein, regelmäßig und ausreichend Wasser in den Schwammstadtkörper zu bringen, um die Vitalität der Bäume zu erhalten, aber auch sicherzustellen, dass nach einem Starkregenereignis der freie Wasserspiegel innerhalb eines abgegrenzten Zeitraums wieder versickert ist. Letzteres ist notwendig, um das Entstehen von anaeroben Bedingungen und somit eine Schädigung der Wurzeln durch Luftmangel und Etablierung von wurzelfeindlichen Mikrobengemeinschaften sowie eine seitliche Ausbreitung des Wassers in Gründungen von Bauwerken zu verhindern (VDOT 2013; Hailey und Percival 2015; Caplan et al. 2019).
Obwohl schon zahlreiche reale Projekte in Österreich mit dem gegenständlichen System umgesetzt wurden, ist nach wie vor unklar, wie dieser Mehrfunktionalität am besten Rechnung getragen werden kann und welchen Stellenwert dabei die Charakterisierung des Substrats einnimmt. In der Praxis zeigten sich bei den ersten Umsetzungen, welche Elemente des Systems besonders relevante Auswirkungen auf die hydrologische Funktionsfähigkeit in verschiedenen Situationen wie Starkregenfällen verschiedener Jährlichkeit und Dauerstufe oder Trockenperioden haben. Im Zuge dieser Arbeit werden deshalb basierend auf Erkenntnissen, die im Rahmen der Forschungstätigkeiten bereits erzielt wurden, die ablaufenden Prozesse im Wasserkreislauf beschrieben und die relevantesten potenziellen Fehlerquellen sowie Voraussetzungen für eine wunschgemäße hydrologische Funktion des Systems Schwammstadt aufgezeigt.

2 Material und Methoden

2.1 Systembeschreibung

Das System ist modular zusammengesetzt, die Kernelemente sind die Baumgrube, das Schwammstadtsubstrat und ein Leitungs- und Verteilsystem für Wasser und Luft. Im deutschsprachigen Baubetrieb wird das hier als Schwammstadtsubstrat titulierte Element auch als Struktursubstrat, Stockholmsubstrat oder Skeletterde bezeichnet. Dafür wird Kantkorn (Grobschlag, Grobsplitt, Bruchschotter) der Körnung 100/150 oder ähnlicher Kornabstufungen aus beständigem Gestein eingebracht und verdichtet. Dieses ineinander verkeilte Korngerüst stellt aufgrund seiner groben und enggestuften Körnung Hohlräume bereit, die Platz für die Entwicklung der Wurzeln bieten. Eine Feinsubstratmischung, die anschließend mit Druck und Wasser eingeschlämmt wird, bettet sich dauerhaft unverdichtet in diese Hohlräume ein und stellt die Speicherkomponente für pflanzenverfügbares Bodenwasser dar (Abb. 1). Gleichzeitig wird durch die porenreiche Struktur ein guter Luftaustausch gewährleistet, was bei Stadt- und Straßenbäumen in der Regel einer der limitierenden Faktoren ist (Weltecke und Gaertig 2012). Die Zusammensetzung des Feinsubstrats kann für jedes Projekt basierend auf den vorrangigen Zielen, verfügbaren Komponenten und örtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden. In Österreich haben sich bei den umgesetzten Projektstandorten Mischungen mit Sand als Hauptbestandteil (Sand nach Definition des Baugewerbes, nicht nach pedologischer Textur) und beigemischten Anteilen an Pflanzenkohle und Kompost sowie teilweise verfügbaren schluffigen Bestandteilen durchgesetzt (Grimm et al. 2022).
Da das System vorrangig unter versiegelten und/oder verdichteten Oberflächen angewandt wird, sind Anschlusspunkte an die Oberfläche für die Wasserzufuhr und den Gasaustausch notwendig, damit das System funktioniert. Diese beiden Prozesse laufen hier in der Regel zumindest teilweise über dieselben Einrichtungen und Einbauten ab. Während die Anschlusspunkte punktförmig in Form von Schächten unterschiedlicher Art ausgeführt sein können, ist im Substratkörper eine möglichst flächige Be- und Entlüftung anzustreben, was durch eine flächig auf das Schwammstadtsubstrat aufgetragene Belüftungs- und Verteilschicht, die aus reinem Splitt (Bruchschotter) in Kornabstufungen 16/32 oder 32/63 besteht, erreicht wird. Die Belüftungs- und Verteilschicht wird bis zur Tragfähigkeit verdichtet, wobei hier erfahrungsgemäß ein dynamisches Verformungsmodul von > 45 MN/m2 zu erreichen ist. Nach oben hin folgt anschließend ein Geotextil zur Verhinderung des Eintrags von Feinanteilen und darüber in der Regel ungebundene Tragschichten sowie der weitere Aufbau der geplanten Oberfläche (Abb. 2).
Die Belüftungs- und Verteilschicht wird häufig mit einem Verteilsystem aus teil- oder vollperforierten Rohren kombiniert. Die Reinigung des Niederschlagswassers erfolgt vor der Einleitung in die Schwammstadt. Hier kommen die gängigen Normen und Regelblätter zur Anwendung, die befestigte Oberflächen auf Basis des potenziellen Verschmutzungsgrads in Kategorien einteilen und diesen Reinigungsanforderungen zuweisen (z. B. ÖWAV-Regelblatt 45). Grundsätzlich steht das Schwammstadtsystem keiner dieser Optionen entgegen. Sowohl Sickerbecken oder -mulden mit Bodenfiltersubstrat sowie Aufenthalts- und Parkflächen mit mineralischem oder Rasenfilter, aber auch ein technischer Filter können dem System vorgeschaltet und gestalterisch ins Stadtbild eingefügt werden, wie bisherige Erfahrungen zeigen. Das nach dem Passieren solcher Elemente gereinigte Wasser soll auf Höhe der Verteilschicht in das Schwammstadtsystem eingeleitet werden. Dies ist aufgrund der Höhenverhältnisse besonders für Reinigungselemente, die eine gewisse räumliche Tiefe benötigen oder unterirdisch verbaut sind, zu bedenken.

2.2 Zusammensetzung und bodenhydrologische Eigenschaften des Schwammstadtsubstrates

Für die bodenphysikalische und bodenhydrologische Untersuchung des Schwammstadtsubstrats mussten etablierte Methoden aus der Untersuchung von landwirtschaftlichen Böden adaptiert werden. Die dabei verwendeten Untersuchungsparameter sind in erster Linie jene, die für Baumstandorte von Bedeutung sind (vgl. FLL 2010): Durchlässigkeit, Gesamtporenvolumen, Wasserkapazität bzw. nutzbare Feldkapazität und Grobporenvolumen. Die bodenmechanischen Eigenschaften der eingesetzten Substrate sind bei Planung, Ausführung und Betrieb ebenfalls relevant, in dieser wasserwirtschaftlichen Betrachtung wird darauf jedoch nicht eingegangen.
Zentrale Herausforderungen bei der Entwicklung der Labormethodik waren die Simulation eines wahrscheinlichen Einbauzustandes des Substrats und die Problematik der Notwendigkeit eines sehr großen Untersuchungsvolumens für das Schwammstadtsubstrat aufgrund der groben Körnung. Folglich wurde ein zweiteiliges Verfahren formuliert, das die getrennte Untersuchung des reinen Feinsubstrats und des Schwammstadtsubstrats im simulierten Einbauzustand inkl. der Grobstruktur vorsieht (Rath 2023). Die Untersuchung des reinen Feinsubstrats ist einfacher, mit geringem Zeitaufwand zu bewerkstelligen und eignet sich besonders für den Vergleich von Mischungen unterschiedlicher Zusammensetzung, wie auch für die Simulation eines potenziellen Zustands von „Feinsubstratpackungen“, die bereichsweise im Schwammstadtsubstrat vorliegen könnten. Für die Zusammensetzung des Schwammstadtsubstrats werden im Regelfall lokal verfügbare Ausgangsmaterialien verwendet. Dabei gibt es kein allgemein gültiges Rezept, der Anteil der verschiedenen Materialien kann in bestimmten Bereichen variiert und basierend auf den gegebenen Rahmenbedingungen und Zielanforderungen sowie sich weiterentwickelndem Wissen optimiert werden. Den größten Volumenanteil nimmt das tragende Grobskelett mit rund 65 bis 70 Vol.-% ein. Darüber hinaus gibt es Substratvariablen, die nicht festgelegt sind, aber auf verschiedene Systemeigenschaften Einfluss nehmen (Tab. 1).
Tab. 1
Variablen im Schwammstadtsubstrat
Substratvariable
Beschreibung der Variationsmöglichkeiten
Einfluss auf Funktion
Grobskelett
Kornabstufung (häufig Verfügbarkeit ausschlaggebend), Gesteinsart
Langfristige Gerüststabilität, Tragfähigkeit, Durchwurzelbarkeit
Art des Feinsubstrats
Mineralisch basiert mit organischen Beimengungen oder Fokus auf Pflanzenkohle (vgl. https://​stockholmtreepit​s.​co.​uk)
Bodenphysikalische und -chemische Eigenschaften, Wachstum, Baumverträglichkeit
Einzelkomponenten Feinsubstrat
Qualität, Bezugsquellen, Ursprung (aus natürlichen Quellen abgebaut, hergestellt, oder vor Ort rezykliert)
Bodenphysikalische und -chemische Eigenschaften, Nachhaltigkeit, Umwelteinfluss (z. B. Auswaschungseffekte)
Anteil Feinsubstrat
Meist 15 bis 30 Vol.-%
Bodenphysikalische und -chemische Eigenschaften
Herstellungsart
Bisher eingeschlämmt, alternativ vorgemischt (vgl. https://​stockholmtreepit​s.​co.​uk)
Einfluss bisher nicht bekannt
Bei geringer Variation der Mischungsverhältnisse oder Bezugsquellen der Einzelkomponenten und gleichbleibendem Feinsubstratanteil von 25 Vol.‑% brachten die bisher durchgeführten Laboruntersuchungen des Schwammstadtsubstrats mit sandiger Feinsubstratbasis Wertebereiche für bodenphysikalische Eigenschaften, die für eine erste hydraulische Bemessung als Grundlage dienen können (Tab. 2).
Tab. 2
Wertebereiche bodenphysikalischer Parameter für mineralisch basierte Feinsubstrate mit organischen Beimengungen für 25 Vol.-% Feinsubstratanteil
Parameter
Wertebereich von–bis
Einheit
Gesamtporenanteil
0,23–0,26
m3/m3
Grobporenanteil
0,12–0,20
m3/m3
Anteil pflanzenverfügbarer Wasserspeicher
0,05–0,11
m3/m3
Gesättigte hydraulische Leitfähigkeit
100–200
cm/h

2.3 Beschreibung der Wasserflüsse im System

Die für die hydrologische Funktion des Systems Schwammstadt für Bäume bedeutsamen Prozesse laufen aufeinander folgend und auch nebeneinander in verschiedenen Teilen des Systems ab. Bauliche Eigenschaften können dabei steuernd, aber auch limitierend wirken. Bei der Auslegung des Systems müssen die Kapazitäten der einzelnen Elemente auf die erwarteten Flussgrößen abgestimmt werden. Obwohl dies ein allgemein gültiger Dimensionierungsgrundsatz ist, stellt die Schwammstadt für Bäume aufgrund der großen Anzahl an Prozessen und potenziellen Fehlerquellen einen Spezialfall dar, der eine gesonderte Betrachtung erfordert. Neben der Infiltration über offene Oberflächen, wie sie im Bereich der Baumscheiben oder im Falle einer durchlässigen Oberflächengestaltung auch auf Parkplätzen und/oder Aufenthaltsflächen zumindest temporär vorliegen, und der anschließend zu erwartenden vertikal ausgerichteten Wasserbewegung nach unten, wird im Regelfall auch konzentriert über Einlaufschächte, Verteilrohre und/oder Bodenfilterbecken/-mulden Wasser auf direkterem Weg in das Schwammstadtsubstrat eingeleitet. Bei einem undurchlässigen Oberflächenbelag ist eine solche Einleitung jedenfalls notwendig, um das Substrat mit Wasser zu versorgen. Die hierbei entstehenden Wasserflüsse sind schematisch in Abb. 3 und Tab. 3 dargestellt.
Tab. 3
Prozesse und mögliche Fehlerquellen im Wasserkreislauf der Schwammstadt für Bäume bei einer konzentrierten Wassereinleitung (die Nummerierung bezieht sich auf Abb. 3)
Nr.
Prozess
Element
Ausschlaggebende Eigenschaften/potenzielle Fehlerquellen
Generierung Zufluss
Einzugsgebiet (EZG)
Kenntnis der realen Ausdehnung, Oberflächenbeschaffenheit, Nutzung
1
Zufluss ins System
Rohre und/oder Schacht
Schachteinläufe, oberflächliche Wasserführung, Verlegung und Dimensionierung der Rohre
2
Infiltration in die Verteilschicht
Verteilelemente (v. a. Verteilschicht)
Durchlässigkeit der Verteilschicht, Art der Verteilelemente
3
Auffüllung Bodenwasserspeicher unterhalb der Beschickungszone
Grenzfläche Verteilschicht – Schwammstadtsubstrat, Schwammstadtsubstrat auf Breite der Beschickungszone
Breite der Beschickungszone, hydraulische Eigenschaften Schwammstadtsubstrat
4, 6
Versickerung in den Untergrund
Grenzfläche Schwammstadtsubstrat – Untergrund
Durchlässigkeit Untergrund, Wasserzufluss (EZG/beschicktes Volumen Schwammstadtsubstrat)
5
Laterale Verteilung im Schwammstadtsubstrat
Schwammstadtsubstrat
Durchlässigkeit Untergrund, hydraulische Eigenschaften Schwammstadtsubstrat
7
Auffüllung Bodenwasserspeicher im Schwammstadtsubstrat
Schwammstadtsubstrat
Wasserzufluss muss zeitweilig größer sein als Abflüsse (Versickerung, Drainage), Speicherfähigkeit Substrat
8
Abfluss Drainage (fakultativ)
Drainageeinrichtung
Kapazität Drainage, Durchlässigkeit Schwammstadtsubstrat, Durchlässigkeit Untergrund
9
Verdunstung, Entzug durch Baum
Durchwurzelter Bereich Schwammstadtsubstrat
Speicherkapazität Schwammstadtsubstrat, Durchwurzelung des Substrats

2.4 Monitoringstandorte im Freiland

Das Team der Autorinnen und Autoren führt seit mehreren Jahren Freilanduntersuchungen zum System Schwammstadt für Bäume an mehreren Standorten in Österreich durch. Diese finden in Form von Lysimetern – sozusagen einem Freilandlabor mit bekannten Randbedingungen – als auch Projekten im realen Straßenraumsetting statt (Abb. 4). Während die Lysimeter mit einem definierten Substratkörper (ca. 15 m3), einem Baum, einem real möglichen Oberflächenaufbau für Aufenthaltsflächen und zahlreichen Bodenwasserhaushaltssensoren zur Erkundung der Wasserflüsse und -verhältnisse errichtet wurden, handelt es sich bei den Realprojekten um Schwammstadtumsetzungen im Ausmaß von z. T. mehr als 100 m Länge sowie mehreren Metern Breite, ausgestattet mit einer Vielzahl an Bäumen und Baumarten, verschiedensten Wasserzuflüssen und einer ebenso variierenden sensorischen Messausstattung. Mithilfe dieser Standorte werden (boden-)hydrologische Daten des Systems in unterschiedlichen technischen Ausführungen und mit realer Umsetzungsskala gewonnen. Daraus lassen sich je nach Standort und Projekt beispielsweise die Wasserverteilung im Substrat im Zuge eines Niederschlagsereignisses, der Sickerwasseranfall, die Zeitdauer für die Versickerung und auch die Durchwurzelung beobachten.

3 Ergebnisse – Prozesse und potenzielle Fehlerquellen im Wasserkreislauf

Nachfolgend sind die aus einer konzentrierten Wassereinleitung resultierenden Wasserflüsse im System, sowie die bestimmenden und für die Dimensionierung relevanten Elemente detailliert beschrieben (vgl. Tab. 3). Die bildliche Darstellung der Prozesse, ihrer Abfolge und ihres örtlichen Auftretens erfolgt in der Abb. 3. Die Wasserflüsse sind maßgeblich vom Verhältnis Einzugsgebiet zu Einleitungs- und Verteilsystem inklusive der Länge der Verteilrohre abhängig. Darüber hinaus ist übergeordnet auch die Erfüllung des bekannten Dimensionierungsansatzes Einzugsgebiet im Verhältnis zur Speicherkapazität des Schwammstadtsystems für ein Bemessungsereignis bestimmter Größenordnung zu erfüllen. Dieser Zusammenhang bestimmt auch wesentlich einen Rückstau im Schwammstadtkörper und folglich das großflächige Auffüllen des Bodenwasserspeichers sowie den Ausfluss aus der Drainage. Die Wasserflüsse rund um multiple Einleitungspunkte in einem Schwammstadtkörper addieren sich hierbei und beeinflussen sich gegenseitig. Weiters wird in den Beschreibungen nicht auf Verteilungseffekte in longitudinaler Ausrichtung des Schwammstadtkörpers eingegangen, sondern diese beziehen sich auf einen Querschnitt.

3.1 Generierung Zufluss

Der Zufluss in das Schwammstadtsystem entsteht durch oberflächlichen Abfluss, der gezielt über ein Einlaufbauwerk eingeleitet wird, oder durch Niederschlag, der direkt auf die durchlässige Oberfläche des Schwammstadtsystems trifft. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten am Projektstandort ist häufig entweder das Volumen gegeben, das für das Schwammstadtsubstrat verwendet werden kann, oder das Einzugsgebiet, aus dem die Niederschläge anfallen werden. Aus ökonomischen Gründen gilt meist Ersteres, sodass das Einzugsgebiet an die Kapazität des Schwammstadtsystems angepasst und dementsprechend gestaltet werden sollte.
Hinsichtlich einer möglichen Einleitung in das Schwammstadtsystem ist auf die Verschmutzungskategorie der Oberfläche resultierend aus Oberflächenbeschaffenheit und Nutzung sowie eine mögliche notwendige Reinigung des Oberflächenwassers zu achten. Weiters sind die Eigentumsverhältnisse des Oberflächenwassers zu klären, was vor allem die Nutzung von Dachwasser betrifft. Wie bereits erwähnt, muss zum einen das Verhältnis EZG zu Schwammstadtkörper angemessen gewählt werden, um Bemessungsniederschläge sicher zwischenspeichern zu können, aber andererseits ist auch das Verhältnis EZG zu Einleitungs‑/Verteilsystem maßgeblich für die hier detailliert beschriebenen Wasserflüsse. Aufgrund ökonomischer und/oder baulicher Rahmenbedingungen ist der Gestaltungsspielraum in dieser Hinsicht häufig eingeschränkt. Trotzdem sollen die Verhältnisse so gewählt werden, dass nicht nur die Überflutungssicherheit des Systems gegeben ist, sondern auch die Multifunktionalität erfüllt wird. In der Praxis ist die Ausweisung des Einzugsgebiets in praxistauglicher Genauigkeit oft aufgrund minimaler Höhenunterschiede oder inhomogener Oberflächengestaltung nicht trivial, dessen Kenntnis spielt jedoch eine wesentliche Rolle für die Bemessung und in der Folge die spätere Funktion des Systems.

3.2 Zufluss ins System

Oberflächenwasser von gering belasteten Flächen, wie Gehsteigen, Aufenthaltsflächen oder Radwegen (ÖWAV-Regelblatt 45) wird häufig direkt über Einlaufschächte und anschließende Verteilrohre in die Schwammstadt geleitet. Auch Dachflächen haben aufgrund der geringen Schadstoffbelastung (je nach Dachausführung) und des meist hohen Abflussbeiwerts hierfür großes Potenzial, wurden aber in bisherigen Projekten aufgrund erschwerender (rechtlicher) Bestimmungen nur selten genützt. Zwischen den verhältnismäßig ausgedehnten Systemelementen Einzugsgebiet und Volumen der Schwammstadt liegt im Zuleitungssystem oft der hydraulische Flaschenhals, dessen Lokalisierung und Dimensionierung ausschlaggebend für die Überflutungssicherheit ist. Weiters sollte für ein rasches Abfließen in das unterirdische Verteilsystem gesorgt werden. Wesentlich sind die Dimensionierung des Schacht- und Verteilsystems angepasst an die Größe und die Eigenschaften des Einzugsgebiets sowie das Design der Einläufe in dieses unterirdische Verteilsystem und die Oberflächengestaltung, um eine rasche Wasserableitung gewährleisten zu können. Auch Überlaufsysteme mit Kanalanschluss finden in den Einlaufschächten zum Teil Anwendung, um dieses potenzielle Nadelöhr zu umgehen.
Zusätzlich zur Menge des anfallenden Wassers spielt hier auch dessen Qualität eine Rolle. Da das Schwammstadtsubstrat nicht als Filter, sondern Wurzel- also Lebensraum konzipiert ist, muss ein Eintrag von Schadstoffen aller Art verhindert werden. Idealerweise ist dem Verteilsystem also ein Sand- und Schlammfang sowie eine Abscheidevorrichtung für Schwimmstoffe wie Blätter vorgeschaltet. Für eine regelmäßige Reinigung und Instandhaltung dieser Elemente ist im Hinblick auf die Funktionstüchtigkeit zu sorgen.
Neben dem hier präsentierten Zufluss über ein Verteilrohrsystem kann ein konzentrierter Zufluss ins Schwammstadtsystem auch beispielsweise über oberflächliche, begrünte Sickermulden mit Reinigungseffekt und Anschluss in vertikaler Richtung an das Schwammstadtsubstrat erfolgen (Abb. 5), wobei eine wertvolle Synergie aus der biodiversen, linearen Reinigungsstruktur mit erweitertem Baumwurzelbereich entstehen würde (vgl. Pitha et al. 2022). Auch in einem solchen Kombinationsfall käme für die unterhalb des Sickermuldensubstrats vorherrschenden Wasserflüsse das hier vorgestellte Konzept zur Anwendung. Es ist jedoch besondere Aufmerksamkeit gefordert, um auch den Luftaustausch im Schwammstadtsubstrat gewährleisten zu können.
Zusätzlich kann unterhalb einer solchen reinigenden Mulde ein Drainagerohrsystem angeschlossen werden, das das Wasser in der Belüftungsschicht oberhalb des Schwammstadtsubstrats verteilt. Mit dieser Möglichkeit ist auch eine räumliche Trennung von Sickermulde und Schwammstadtsystem denkbar, die durch die Rohrverbindung überwunden werden kann. Ist die Mulde oder das Becken direkt über dem Schwammstadtsubstrat mit aufliegender Belüftungsschicht angeordnet, so finden die hier vorgestellten Wasserflüsse nicht nur unterhalb des Reinigungselements statt, sondern auch entlang des Verteilrohrs, solang der Wasserfluss darin ausreicht.

3.3 Einsickern in die Verteilschicht

Während in Schweden (in Stockholm liegt der Ursprung dieses Schwammstadtsystems) vor allem auf eine punktuelle Wassereinleitung über Einlaufschächte im nahen Umfeld der Bäume mit einer Perforierung im Bereich der Verteil- und Belüftungsschicht gesetzt wird, kamen in Österreich in den bisher umgesetzten Projekten häufig sogenannte Verteilrohre für eine lineare Verteilung des eingeleiteten Wassers zum Einsatz. Dies sind Voll- oder Teilsickerrohre, die an einen Einlaufschacht angeschlossen und in einem durchdachten Verlauf in der Belüftungs- und Verteilschicht verlegt werden. Teilsickerrohre bieten bei korrektem Einbau den Vorteil eines gleichmäßigen Wasseraustritts über die Rohrlänge, während bei Vollsickerrohren von einer über die Rohrlänge sehr variierenden Beaufschlagung mit einer klaren Bevorzugung der ersten Meter nach dem Einlaufschacht auszugehen ist. Das Ausmaß dieser Ungleichverteilung hängt vom Verhältnis angeschlossener Einzugsgebietsfläche zu Einlaufschacht und Verteilrohrlänge, Neigung sowie Öffnungsgrößen und somit Verteilrohrtyp ab.
Fällt die Entscheidung für die Verwendung von Teilsickerrohren, so muss eine Konstruktion vorgesehen werden, die den Einstau des Rohres ermöglicht. Weiters ist zu überlegen, ob ein Weg zur Vermeidung eines dauerhaften Wasserrückstands im Teilsickerrohr gefunden werden kann. Bei der Wahl des Materials für die Belüftungsschicht ist auf eine enge und grobe Kornabstufung ohne Feinanteil (Splitt 16/32 oder 32/63) zu achten, um ein möglichst ungehindertes Aussickern aus dem Verteilrohr und eine gleichmäßige und rasche Wasserausbreitung in der Schicht zu ermöglichen.

3.4 Auffüllen des Bodenwasserspeichers unterhalb der Beschickungszone

Am Übergang aus der Verteilschicht ins Schwammstadtsubstrat bildet sich eine Beschickungszone bestimmten Ausmaßes aus. Die Breite dieser Zone wird durch den Wasserzufluss in die Verteilschicht, die Infiltrationskapazität des Schwammstadtsubstrats und folglich auch durch die Dauer des Ereignisses bestimmt. Die Dimension der seitlichen Ausbreitung an der Grenzfläche kann demnach zeitlich und räumlich stark variieren.
Entlang dieses Bereichs ist von einer großteils vertikalen Wasserbewegung nach unten auszugehen, die den Bodenwasserspeicher weitgehend auffüllt. Für die Versickerung im Schwammstadtsubstrat ist von einer maßgeblichen Beteiligung der Makroporen am Fließgeschehen auszugehen. Die daraus resultierende Geschwindigkeit ist in der Regel wesentlich größer als die mittels Laborversuchs bestimmte gesättigte Durchlässigkeit (Beven und Germann 2013).

3.5 Versickerung in den Untergrund und laterale Verteilung

Überschüssiges Wasser, das im Schwammstadtsubstrat nicht aufgenommen und zwischengespeichert wird, trifft zuerst im Bereich der Beschickungszone auf anstehenden Untergrund unterhalb der Schwammstadt. Je nach Durchlässigkeit, die vor allem durch Korngrößenverteilung, Verdichtung und Vorfeuchte dieses Materials und Wasserzuflusses von oben beeinflusst wird, versickert das Wasser direkt weiter Richtung Grundwasser oder geht in eine laterale Verteilung an der Grenzschicht über. Das Ausmaß dieser lateralen Verteilung hängt vom Wasserzufluss sowie der Durchlässigkeit der Materialien des Schwammstadtsubstrats und des anstehenden Untergrunds ab. Entlang dieses erweiterten Befeuchtungsbereichs wird der Bodenwasserspeicher aufgefüllt und es findet auch Versickerung in den Untergrund statt. Je nach Ausführung des Systems und der genannten Variablen bestimmt das Ausmaß der lateralen Verteilung in vielen Fällen auch, ob ein eingebautes Drainagerohr mit Wasser beaufschlagt wird.
Bei der Darstellung des Wasserflusses als zuerst rechteckige Beschickungszone und anschließend einer sich ausbildenden rechteckigen lateralen Verteilung an der im Regelfall geringer durchlässigen Schicht des anstehenden Untergrunds (Abb. 3) handelt es sich um eine Vereinfachung der Realität. Die Ausbildung einer kegelförmigen Feuchtefront ausgehend von der Wassereinleitung ist als realitätsnäher einzustufen.
Vor allem bei großvolumigen Ausführungen ist der Weg des Wassers nach dem Versickern aus dem Schwammstadtkörper zu beachten. Im städtischen Untergrund entsteht oft ein komplexes System aus Strukturen mit verschiedenen Wegigkeiten für den Wasserfluss, dieses wird auch als „städtischer Karst“ („urban karst“; Bonneau et al. 2017) bezeichnet. Diese Wegigkeiten können dazu führen, dass durch konzentriertes Abfließen aus der Schwammstadt an anderer Stelle unerwünschte Nebenwirkungen auftreten. In diesem Zusammenhang ist auch die mögliche Auswaschung von Schadstoffen aus den verwendeten Substraten, insbesondere bei großflächiger Anwendung, nicht zu vernachlässigen.

3.6 Auffüllen des Bodenwasserspeichers außerhalb der Beschickungszone

Je nach Ausführung der Oberfläche und des Verteilsystems ist nicht zwingend davon auszugehen, dass der Bodenwasserspeicher rund um den Wurzelraum des wachsenden Baumes regelmäßig befeuchtet wird. Für die Wasserversorgung der Bäume und somit für die Funktion des gesamten Systems ist es unabdingbar, dass möglichst große Bereiche des Bodenwasserspeichers im Schwammstadtsubstrat mit Wasser versorgt werden. Entweder erfolgt das Auffüllen durch großflächige Beaufschlagung aus der Verteilschicht oder durch kapillaren Aufstieg, beziehungsweise Einstau. Letzterer führt dazu, dass sich temporär ein Wasserspiegel einstellt, der auch Bereiche außerhalb der Beschickungszone erreicht. Kapillarer Aufstieg wird, ausgehend von einer lateralen Wasserverteilung im Schwammstadtsubstrat und einem damit möglicherweise einhergehenden freien Wasserspiegel ermöglicht und kann im Schwammstadtsubstrat aufgrund der Textur nur geringe Höhendifferenzen überwinden. Ein großflächiger Verteilungsprozess der Bodenfeuchte basierend auf potenzialgetriebenem Matrixfluss oder Wasserdampftransport findet hingegen primär in mittelfristigen Feuchteperioden, wie dies im Winter der Fall ist, statt. Darauf deuten auch Messwerte aus einer Monitoringanlage in Graz hin (Abb. 6). Dieser Matrixfluss wird durch die Beschaffenheit des Schwammstadtsubstrats bestehend aus einem Steingerüst mit mehr oder weniger zusammenhängender Matrix (= Feinsubstrat) im Vergleich zu einem gewachsenen Boden vermindert.
Für die Praxis heißt das, dass ein hinsichtlich einer regelmäßigen vollständigen Durchfeuchtung nicht optimierter Schwammstadtstandort zwar gute Chancen hat, im Frühjahr für den Vegetationsbeginn ein maximales Bodenfeuchtevolumen bereitzustellen, im Sommer allerdings das Risiko besteht, dass Substratbereiche über Monate ohne Wiederbefeuchtung auskommen müssen. Sind die Wurzeln in diese Bereiche vorgedrungen, so können sie nach einem erstmaligen Wasserentzug im Frühling oder Frühsommer kein Wasser aus diesen Bereichen beziehen. Die Optimierung zukünftiger Schwammstadtstandorte im Hinblick auf eine häufige, möglichst großflächige Auffüllung des Bodenwasserspeichers scheint für die Eignung als Baumstandort und Wurzelraum über die jahrzehntelange Lebensdauer des Baumes essenziell.

3.7 Abfluss aus der Drainage bzw. einem Überlauf

Um etwaigen Überflutungs- und Unterspülungsproblematiken vorzugreifen, ist in humiden Gebieten, bei einem großen Verhältnis von Einzugsgebiet zu Schwammstadtvolumen oder einem gering durchlässigen Untergrund, das Vorsehen einer Überlastungsvorrichtung sinnvoll. Diese wurde in den bekannten Projekten in Österreich bisher in der Regel als Dränrohr an oder unter der Schwammstadt-Unterkante ausgeführt. Dies sichert zwar jedenfalls die angrenzenden Strukturen wie beispielsweise den Straßenuntergrund und angrenzende Bauwerksgründungen ab, verhindert aber auch einen Rückstau und somit eine verbesserte Auffüllung des Bodenwasserspeichers im Schwammstadtsubstrat weitgehend. Eine Alternative wäre der Einbau eines höher liegenden Überlaufs (oder Dränrohrs) – beispielsweise im oberen Drittel des Schwammstadtsubstrats –, der Wasser erst ab einem bestimmten Wasserstand im System abführt. Durch eine solche Art der Überlastungsvorrichtung wird die großflächige Auffüllung des Bodenwasserspeichers gefördert, die Grundwasseranreicherung erhöht und die in den Kanal oder den Vorfluter eingeleitete Wassermenge vermindert. Bei einem sehr gering durchlässigen Untergrund kann eine erhöhte Überlastungsvorrichtung je nach Höhe und Durchlässigkeit allerdings zu einer länger andauernden Staunässe im Wurzelbereich führen und somit problematisch für den Baum werden. Sollte ein typisches Dränrohr bevorzugt werden, so ist eine Positionierung in größtmöglicher Entfernung zum Verteilsystem anzustreben, um einen direkten „Kurzschluss“ zwischen Verteilrohr und Dränrohr zu vermeiden.

3.8 Verdunstung/Entzug durch den Baum

Grundvoraussetzung für eine ausreichende Wasserversorgung der Stadt- und Straßenbäume ist neben der Durchwurzelung des Substrats auch die Verfügbarkeit von gespeichertem Bodenwasser. Die Möglichkeit zur Durchwurzelung ist durch das lastabtragende Grobgerüst gewährleistet. In der Praxis zeigten sich jedoch bereits gravierende Baumängel, wo zum Beispiel durch falsch verlegte Vliese die Ausbreitung der Wurzeln erschwert bis verhindert wurde. Die Verfügbarkeit von gespeichertem Bodenwasser wird durch das Design des Feinsubstrats (wie viel Wasser soll das Substrat pflanzenverfügbar halten?) und die Charakteristiken der Wasserverteilung und damit verbunden der regelmäßigen Auffüllung des Speichers bestimmt. Die Intensität und räumliche Verteilung, in der der wurzelnde Baum dem Substrat Wasser entzieht, ist abhängig vom Jahresverlauf, dem Durchwurzelungsgrad, dem Baumalter, der Baumart, dem Wetter, der Vitalität des Baumes und dem verfügbaren Wassergehalt und ist daher in höchstem Ausmaß variabel. Eine genaue Kenntnis dieser Prozesse ist aber auch nicht prioritär. Viel wichtiger ist der Fokus auf der dauerhaften Zurverfügungstellung von für den Baum lebensfreundlichen Bedingungen.

3.9 Wurzelwachstum in der Schwammstadt

Der Einbau des Schwammstadtsubstrats soll durch die Bereitstellung von Makroporen für einen guten Luftaustausch, Bodenfeuchte und ein mittelfristiges Nährstoffangebot auch eine verzweigte Wurzelausbreitung in tiefere Schichten fördern, wodurch wurzelbedingte Schäden an der Oberfläche vermieden werden können (Lucke und Beecham 2019) und eine gute Stabilität der Bäume erreicht werden kann (Ow und Yusof 2018). Die Untersuchungen in den Monitoringstandorten im Freiland zeigen eine solche rasche und weitreichende Durchwurzelung des Schwammstadtsubstrats bis in die in den Lysimetern untersuchte Tiefe von 1,30 m unter Geländeoberkante.

3.10 Wechselwirkungen zwischen Einzelprozessen und zeitliche Betrachtung

Während der Bodenwasserspeicher im Bereich der Beschickungszone je nach Systemdimensionierung, Positionierung entlang der Verteilrohrlänge sowie Typ des Verteilrohrs gute Chancen auf eine regelmäßige Auffüllung hat, verhält sich dies für den restlichen Bodenwasserspeicher außerhalb dieses Bereichs variabler und unsicherer. Ganz wesentlich kommen hier die Dimensionierungsziele und die mögliche Kombination mehrerer Eintragspfade ins Spiel. Mit dem Ziel einer regelmäßigen Durchfeuchtung des gesamten Schwammstadtsubstrats zur Auffüllung des pflanzenverfügbaren Bodenwasserspeichers auch bei kleineren oder mittleren Niederschlagsereignissen geht in der Regel auch der Verlust von Wasser durch das Füllen der rasch dränierenden Grobporen einher, das ergänzend für andere blau-grüne-Infrastrukturmaßnahmen verwendet werden könnte. Die Kopplung eines solchen Systems mit einem an der Unterkante verlegten Drainagerohr stellt aufgrund des erwartbaren großen Anteils an in den Vorfluter oder Kanal abgeleiteten Wassers eine sehr wasserineffiziente Variante dar. Lösungsansätze bieten eine ergänzende flächige Versickerung durch das Anwenden durchlässiger Oberflächenbeläge oder eine höhere Dichte an Verteilrohren oder alternativen konzentrierten Einlaufsystemen.
Das beschriebene hydrologische Verhalten des Systems Schwammstadt für Bäume unterscheidet sich maßgeblich zwischen den Jahreszeiten. Im Sommerhalbjahr spielen Niederschlagsereignisse von zunehmend stärkerer Intensität und kürzerer Dauer, begleitet von längeren niederschlagsfreien Perioden eine wesentliche Rolle für die Auffüllung des Bodenwasserspeichers, die aufgrund des stetigen, großflächigen Entzugs durch den Baum auch notwendig ist. Hierbei können auch Rückstaueffekte im Schwammstadtsubstrat auftreten. Hingegen ist das Winterhalbjahr von häufigeren Niederschlagsereignissen geringerer Intensität aber oft längerer Dauer sowie grundsätzlich feuchteren Verhältnissen mit vernachlässigbarer Verdunstung geprägt. Aufgrund des Niederschlagsregimes kommt es seltener zu nennenswerten Abflussereignissen aus dem Einzugsgebiet und noch seltener zu einer großflächigen lateralen Verteilung oder gar einem Rückstau im Schwammstadtsubstrat. Zusätzlich ist nach den ersten Niederschlagsereignissen nach Ende der Vegetationsperiode der Bodenwasserspeicher im direkten Einflussbereich des einströmenden Wassers gefüllt, wodurch folgende Niederschlagsereignisse beinahe ausschließlich der Grundwasseranreicherung dienen. Weiters ist besonders in dieser Zeit eine (langsame) räumliche Ausbreitung der Bodenfeuchte im Schwammstadtsubstrat aufgrund der Potenzialverhältnisse möglich. Anzustreben ist jedenfalls ein weitgehend komplett gefüllter Bodenwasserspeicher im Schwammstadtsubstrat zu Beginn der nächsten Vegetationsperiode, um von der maximalen Kapazität profitieren zu können.

3.11 Schadstoffbelastung und Streusalz

Hinsichtlich der Qualität des in den (erweiterten) Wurzelraum eingeleiteten und anschließend potenziell Richtung Grundwasser versickernden Niederschlagswassers sind, wie bereits erwähnt, die gängigen Normen und Regelwerke einzuhalten und die je nach Verschmutzungskategorie notwendigen Reinigungsstufen im Gesamtsystem vorzusehen, um der Schadstoffbelastung im urbanen und Verkehrsraum ordnungsgemäß zu begegnen.
Eine Thematik, die hier speziell im Zusammenhang mit Bäumen oftmals zur besonderen Herausforderung wird, ist das Streusalz. Zu den gängigsten Auftaumitteln zählen halogenidhaltige Auftaumittel, wie beispielsweise Natriumchlorid (NaCl). Während Natrium besonders die Bodenstruktur schädigen und das Kationenverhältnis beeinflussen kann, ist Chlorid sehr mobil in der Bodenlösung (Norrström und Bergstedt 2001; Fay und Shi 2012). Während es im Wurzelraum vorliegt, kann es durch die Erhöhung des osmotischen Potenzials im Boden die Wasseraufnahme der Bäume erschweren. Sowohl Natrium- als auch Chlorid-Ionen können auch von den Bäumen aufgenommen werden und diese schädigen. Aufgrund der Mobilität des Chlorids wird dieses mit jeder Wasserzuleitung weiter nach unten Richtung Grundwasser transportiert und trägt dort zur Erhöhung des Chloridgehalts bei. Es stellt also auch ein Risiko für die Grundwasserqualität dar (Lundmark und Jansson 2008; Vignisdottir et al. 2019). In der Praxis werden verschiedene Möglichkeiten angedacht und erprobt, die versuchen, diesem Widerspruch zwischen dem Ziel der Wassereinleitung von Verkehrsflächen und dem Nicht-Ziel der Streusalzeinleitung zu begegnen. Hierbei handelt es sich um den Ansatz der Trennung von Sommer- und Winterwasser mittels diverser Maßnahmen, die grob in aktive und passive Maßnahmen unterteilt werden können. Während aktive Maßnahmen das aktive Öffnen und Schließen von beispielsweise Schiebern oder Randsteinen erfordern, arbeiten passive Maßnahmen mit der Aufteilung durch Rückstau und dadurch veränderte Fließpfade, erzielt durch z. B. Bodenfilterbecken mit einer bestimmten Durchlässigkeit und einem Überfall, der bei ausreichendem Wasserzufluss nachströmendes Wasser in ein weiteres (reinigendes) Teilbecken führt. Bei solchen passiven Maßnahmen handelt es sich in der Regel also um keine strikte Trennung von Winter- und Sommerwasser, sondern um eine Abtrennung einer gewissen Menge des anfänglich zuströmenden Oberflächenwassers (vgl. erster Spülstoß). Das nicht erwünschte Winterwasser bzw. der erste Spülstoß werden meist in den Kanal geleitet und das Sommerwasser bzw. das über den ersten Spülstoß hinausgehende Wasser wird je nach Verschmutzungskategorie direkt oder über eine Reinigungsstufe, wie z. B. ein Bodenfilterbecken, in das Schwammstadtsystem und somit den Wurzelraum geleitet.
Hierbei ist zu beachten, dass bei einer ganzjährigen Abtrennung des ersten Spülstoßes je nach Dimensionierung zwar das potenziell streusalzbelastete Winterwasser großteils oder gänzlich vom Wurzelraum ferngehalten wird, aber auch wertvolles Wasser im Sommer dem Kanal zugeführt wird. Bei kleinen Niederschlagsereignissen kann dies das gesamte zufließende Niederschlagswasser betreffen. Bei solchen Systemen ist eine durchdachte Dimensionierung mit Berücksichtigung örtlicher Niederschlagscharakteristika und der Kenntnis der Einzugsgebietsfläche besonders wichtig, um nicht Gefahr zu laufen, mehr Wasser als notwendig an den Kanal abzugeben und kaum mehr Wasser für die Auffüllung des Bodenwasserspeichers übrig zu haben. Beim Verfahren der aktiven Trennung ist der zeitlichen Planung des Öffnens und Schließens der Sperre Wichtigkeit beizumessen. Es ist zu empfehlen, das Absperrelement über einen möglichst kurzen Zeitraum zu schließen, mit dem Ziel, die feuchtnassen Herbst- und/oder Frühlingswochen für die Auffüllung des Bodenwasserspeichers zu nützen, um zum Start der Vegetationsperiode aus dem vollen Potenzial schöpfen zu können.

3.12 Schwammstadt für Bäume als Ersatz für Baumbewässerung oder eine große Baumgrube?

Grundsätzlich wird auf Basis des vorhandenen Wissens und der Erfahrungen davon ausgegangen, dass bei guter Planung und Ausführung das System Schwammstadt für Bäume die Überlebens- und Wachstumschancen der Bäume sowie deren Wasserversorgung wesentlich verbessert werden können. Die verbesserte Wasserversorgung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass durch die direkte unterirdische Einleitung der bei Starkregenereignissen häufig begrenzende Faktor der Infiltration in die Baumscheibe umgangen wird und dass aufgrund der angeschlossenen Einzugsgebiete wesentlich größere Wassermengen in den Wurzelraum gebracht werden, als nur jene, die als Niederschlag direkt auf die Fläche fallen. Es ist allerdings nicht ratsam, diese Wurzelraumerweiterungsmaßnahme gegen die Forderung nach zumindest mittelvolumigen Baumgruben (> 12 m3 laut FLL 2010) auszuspielen. Das in diesen Baumgruben verwendete Baumsubstrat hat aufgrund des geringeren Steinanteils ein höheres Wasserspeichervermögen und kann – besonders nach der winterlichen Durchfeuchtung – vergleichsweise lange Bodenwasser zur Verfügung stellen. Weiters ist das Baumsubstrat in der Anwuchsphase des Baumes das alleinige durchwurzelte Substrat, kann auch als Standort für Stauden und Gräser dienen und somit einen wertvollen Beitrag zur Biodiversität im urbanen Raum liefern.
Eine abschließende Lösung der gesamten Trockenstressproblematik und der kritischen Diskussion rund um notwendige und überflüssige Bewässerungsgaben für Stadt- und Straßenbäume ist aber auch mit dieser Bauweise nicht sichergestellt. Neben der standortbezogenen zeitlichen Niederschlagsverteilung und der daraus resultierenden (Un‑)Regelmäßigkeit der Auffüllung des Bodenwasserspeichers hat auch die Baumartenwahl aufgrund unterschiedlicher pflanzenphysiologischer Strategien im Umgang mit drohendem Trockenstress einen relevanten Einfluss auf die Überlebenschancen von Bäumen im heißer werdenden urbanen Raum. Während manche Baumarten die Stomata zur CO2-Aufnahme und damit gekoppelt H2O‑Abgabe so lang als möglich gänzlich geöffnet haben, verfolgen andere beispielsweise die Strategie, schon früher die Photosynthese durch Stomata-Schließung zu reduzieren und damit auch Wasser zu sparen (Tardieu und Simonneau 1998; McDowell et al. 2008). Auch hier liegt also ein nicht zu vernachlässigender Hebel in der Planung. Für die Bemessung der Bewässerungsgaben stellt sich die Frage, ob eine Notbewässerung mit dem Ziel der Überlebenssicherung für die Bäume als ausreichend erachtet wird, oder ob durch nahezu gänzliche Abwendung von Trockenstress eine Verdunstungsmaximierung zur Kühlung angestrebt wird – wobei letztere Strategie jedenfalls mehr personelle, finanzielle und Trinkwasserressourcen erfordert. Das System Schwammstadt für Bäume mit einem durchdachten Wasserverteilsystem bietet grundsätzlich auch den Vorteil der relativ raschen künstlichen Wasserzufuhr an verschiedenen Punkten und über verschiedene Wege, was für eine etwaige Baum- und Wurzelraumbewässerung genützt werden kann.

4 Ergebnisse – Neuralgische Punkte in der Ausführung

Durchdachte Planung und Dimensionierung der Systemkomponenten bilden die Basis für das Erfüllen der multifunktionalen Ansprüche des Systems Schwammstadt für Bäume. Fehler in der Ausführung können gravierende Einschränkungen für die hydrologische Funktion oder gar einen Ausfall des Systems nach sich ziehen. Basierend auf Erfahrungen der Autorinnen und Autoren werden daher beispielhaft potenzielle Fehlerquellen erläutert, die so oder in einer ähnlichen Form bereits beobachtet wurden, ohne dabei Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen.

4.1 Verteilrohre

Die Verbindung zwischen den Einlaufschächten und anschließenden Verteilrohren ist wasserdicht auszuführen, um eine flächige Wasserverteilung gesteuert durch Verteilrohre erst zu ermöglichen (Beispiel eines undichten Anschlusses in Abb. 7). Werden Teilsickerrohre eingebaut, so ist die korrekte Verlegung mit dem geschlossenen Mantelbereich nach unten zu beachten. Weiters ist auch auf die Neigung, mit der die Rohre verlegt werden, zu achten. Bei Teilsickerrohren ist eine waagrechte, neigungsfreie Verlegung das Ziel, um eine gleichmäßige Wasserverteilung über die Länge zu gewährleisten. Bei Vollsickerrohren ist eine leichte gleichmäßige Neigung vom Einlaufschacht weg zielführend, um eine Wasserverteilung in diese Richtung zu unterstützen. Die Wasserverteilung in den Verteilrohren wird auch durch eingeschwemmte Grobstoffe wie Blätter und Äste beeinflusst, da diese zu Verstopfungen und somit zu einer räumlichen Einschränkung der Wasserausbreitung im Rohr führen. Dies ist durch geeignete Auffangelemente vor dem Verteilsystem nach Möglichkeit zu unterbinden und durch regelmäßige Wartungen zu beheben (siehe auch nächster Punkt).

4.2 Wartung und Instandhaltung

Während des gesamten Planungs- und Ausführungsprozesses muss auch die spätere Wartung und Instandhaltung des Systems mitgedacht werden. Idealerweise werden die dafür Zuständigen bereits frühzeitig in den Prozess eingebunden. Beispielsweise können zusätzliche Schächte für die Durchführung von Spülungen notwendig werden. Zusätzliche Anforderungen an z. B. Schachtdimensionen, Rohrqualitäten oder Verlegungsmuster können sich aufgrund des verfügbaren Equipments der instand haltenden Einrichtung für Kamerabefahrungen, Spülungen und sonstige Arbeiten ergeben. Besonders auf das Freihalten der Einlaufschächte von Grobstoffen und Verstopfungen ist zu achten.

4.3 Herstellung des Schichtaufbaus

Der Schichtaufbau variiert je nach Bereich wesentlich, was für die praktische Bauausführung aufgrund der Komplexität des Gesamtsystems eine Herausforderung darstellt und eine detaillierte Schulung, Lenkung, und Aufsicht durch die Planungsorgane oder wissende Mitwirkende fordert. Vor allem Schichtübergänge, vertikal wie horizontal, weisen eine gewisse Fehleranfälligkeit auf. Beispielsweise birgt das Verlegen von Vliesen die Gefahr, essenzielle Fehler zu machen, die eine Durchwurzelung des Systems weitgehend unterbinden können. Während über der Belüftungs- und Verteilschicht als Abgrenzung zur feinanteilhaltigen Tragschicht ein Vlies einzulegen ist, so soll dies im Bereich der Baumscheibe keinesfalls passieren. Auch die Belüftungs- und Verteilschicht soll dort nicht eingebaut werden, sondern ein direkter Übergang von der mit Baumsubstrat gefüllten Pflanzgrube bzw. Baumscheibe zum Schwammstadtsubstrat hergestellt werden (Negativbeispiele in Abb. 8).
Ist der anstehende Untergrund unterhalb des Schwammstadtsubstrat übermäßig stark durchlässig (vorgeschlagener Richtwert von ≫ 5 * 10−4 m/s), so kann zur Förderung eines temporären Rückstaus im Substrat eine Schicht kornabgestuftes Material mit geringerer Durchlässigkeit darunter eingebracht werden, um eine Verzögerung der Infiltration in den anstehenden Untergrund zu erreichen. Hierbei ist aber darauf zu achten, dass das gewählte Material durch die folgende Auflast nicht zu undurchlässig wird.

4.4 Hydrologische Einzugsgebiete im Verkehrsraum

Unsauberes Arbeiten an der Oberfläche kann zu „falschen“ EZG-Flächen führen. Unebenheiten, Wulste, Fahrrinnen etc. haben das Potenzial, den Oberflächenabfluss in ungewünschte Richtungen zu leiten und dadurch den geplanten Zufluss zum Schwammstadtsystem und in weiterer Folge die vorgesehene Auffüllung des Bodenwasserspeichers maßgeblich zu verhindern. In dieser Hinsicht fehleranfälliger sind vor allem Schwammstadtumsetzungen in Bestandsstraßen, wo nur Bereiche neugestaltet werden und das Oberflächenwasser von Bestandsoberflächen zufließt, die potenziell eine gewisse Heterogenität in der Struktur aufweisen, die in Plänen nicht aufscheint.

4.5 Kenntlichmachung der Einlaufgitter und Information zu realisierten Schwammstadt-Projekten

Mit dem Wechsel hin zur Nutzung des städtischen Niederschlagswassers stellt sich auch die Frage der Kennzeichnung von Einlaufschächten und -gittern, die Wasser in die Wurzelräume der Bäume oder auch in andere blau-grüne Infrastrukturmaßnahmen leiten. Dies ist insofern relevant, als solche Einlaufgitter von der Bevölkerung häufig als Zugang zum Abwassersystem und somit als eine Möglichkeit sich Schmutzwassers aller Art oder Zigarettenstummeln zu entledigen, angesehen wird. Eine möglichst selbsterklärende Kennzeichnung und gegebenenfalls auch kreative Gestaltung der Einläufe können helfen, unerwünschtes Verhalten einzudämmen und eine längere Funktionsfähigkeit der Systeme zu unterstützen.
Weiters wird im Sinne von Umweltbildung und Transparenz angeregt, wesentliche Informationen zu umgesetzten Projekten mit dem Schwammstadtprinzip für Bäume öffentlich zugänglich zu machen. Funktionsweise und Projektdaten, wie Anzahl und Art der versorgten Bäume, Art der zugeführten Wässer, Ausmaß der angeschlossenen Entwässerungsgebiete, Ausmaß und Aufbau des Schwammstadtsubstrats, Angaben zum Wasserverteilsystem etc. könnten beispielsweise im Rahmen von Web-GIS-Applikationen abrufbar dargestellt werden. Bei späteren Bauarbeiten mit Aufgrabungstätigkeiten in diesen Bereichen sollte auf eine korrekte Wiederherstellung des Systems geachtet werden, um die Multifunktionalität langfristig zu erhalten. Hier kann eine einfach zugängliche Informationsquelle zum im Untergrund verbauten Schwammstadtsystem Überraschungsmomenten und Umsetzungsfehlern vorbeugen.

5 Schlussfolgerungen und Ausblick

Das System Schwammstadt für Bäume stellt eine interessante Maßnahme aus dem Katalog der blau-grünen Infrastrukturmaßnahmen dar, die sich durch ihre Multifunktionalität und einen modularen Aufbau mit großem Gestaltungsspielraum auszeichnet. Ein wesentlicher Ansatz bei der Planung und Dimensionierung ist es, die verschiedenen Elemente und damit verbundenen hydrologischen Prozesse zielgerichtet miteinander zu verbinden, sodass sich Synergien ergeben und das volle Potenzial des Systems genutzt werden kann. Das dazu notwendige Prozessverständnis und die Relevanz der einzelnen Elemente aufzuzeigen, war das übergeordnete Ziel dieser Arbeit. Die hier präsentierten Inhalte geben neben Einblicken in mögliche Fehler bei der Planung und Ausführung einen Anhalt zur hydraulischen Dimensionierung, genaue quantitative Vorgaben werden in naher Zukunft aus den Ergebnissen laufender Monitoringprojekte abgeleitet. Mittelfristiges Ziel ist es, belastbare Leitfäden zur Dimensionierung und Ausführung auszuarbeiten.
Um das bestmögliche Ergebnis mit der größtmöglichen Multifunktionalität, die auch ästhetische und biodiverse Aspekte einschließt, zu erzielen, scheint es sinnvoll, eine enge Zusammenarbeit zwischen Planenden der Siedlungswasserwirtschaft, des Straßenbaus und der Landschaftsarchitektur anzustreben. Die dargelegten Gedanken und Erfahrungen stellen einen Einstieg in ein bisher kaum beschriebenes Thema dar, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu stellen. Die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung mit Ansätzen aus den verschiedensten Disziplinen sind groß, für die Optimierung solch komplexer Systeme ist weiterer Erfindergeist und Einfallsreichtum gefragt, die hier präsentierten konzeptuellen Überlegungen stecken dafür den Rahmen ab.

Danksagung

Die im Zuge des vorliegenden Artikels präsentierten Erkenntnisse, Erfahrungen und Gedanken entstammen einer Vielzahl an Projekten. Die Monitoringprojekte, die einen wesentlichen Einblick in das System Schwammstadt ermöglichen, wurden von der Stadt Wien (Wiener Stadtgärten, Umweltschutz, Abfallwirtschaft, Wien Kanal), der Stadt Graz (Grünraum und Gewässer) und dem Land Steiermark (Verkehr und Landeshochbau) in Auftrag gegeben und unterstützt. Weiters fließen Erkenntnisse aus einem von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderten Projekt (MUFUWU Stadtbaum) im Rahmen der Ausschreibung „Stadt der Zukunft“ ein.
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Hinweis des Verlags

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Literatur
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Zurück zum Zitat Grimm K, Murer E, Schmidt S (2021): Das Schwammstadtprinzip für Stadtbäume in Österreich. Entstehung, Funktionsweise, Herausforderungen, Umsetzungen. Poster Aqua Urbanica 2021, Innsbruck, Österreich Grimm K, Murer E, Schmidt S (2021): Das Schwammstadtprinzip für Stadtbäume in Österreich. Entstehung, Funktionsweise, Herausforderungen, Umsetzungen. Poster Aqua Urbanica 2021, Innsbruck, Österreich
Zurück zum Zitat Grimm K, Murer E, Schmidt S, Zeiser A (2022): Das Schwammstadtprinzip für Bäume. Entwicklung und Umsetzung in Österreich. Stadt + Grün 7/2022, 19–25 Grimm K, Murer E, Schmidt S, Zeiser A (2022): Das Schwammstadtprinzip für Bäume. Entwicklung und Umsetzung in Österreich. Stadt + Grün 7/2022, 19–25
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Zurück zum Zitat Rath S (2023): Labormethoden zur bodenphysikalischen und bodenhydrologischen Untersuchung des Schwammstadtsubstrats für Stadtbäume. Masterarbeit, Universität für Bodenkultur, Wien Rath S (2023): Labormethoden zur bodenphysikalischen und bodenhydrologischen Untersuchung des Schwammstadtsubstrats für Stadtbäume. Masterarbeit, Universität für Bodenkultur, Wien
Zurück zum Zitat Zeiser A, Weninger T, Schmidt S, Roth T, Rath S, Murer E, Strauss P (2022): Datenbasierte Evaluierung hydrologischer und gesellschaftlicher Potenziale der Schwammstadt für Stadtbäume. Tagungsband Aqua Urbanica 2022, Glattfelden, Schweiz Zeiser A, Weninger T, Schmidt S, Roth T, Rath S, Murer E, Strauss P (2022): Datenbasierte Evaluierung hydrologischer und gesellschaftlicher Potenziale der Schwammstadt für Stadtbäume. Tagungsband Aqua Urbanica 2022, Glattfelden, Schweiz
Metadaten
Titel
Überlegungen zur Dimensionierung und Ausführung des Systems Schwammstadt für Bäume
verfasst von
DI Anna Zeiser
DI Sebastian Rath
DI Karl Grimm
DI Stefan Schmidt
Mag. Dr. Gernot Klammler
DI Daniel Zimmermann
DI Erwin Murer
DI Thomas Roth
DI Dr. Peter Strauss
DI Dr. Thomas Weninger
Publikationsdatum
07.06.2023
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft / Ausgabe 7-8/2023
Print ISSN: 0945-358X
Elektronische ISSN: 1613-7566
DOI
https://doi.org/10.1007/s00506-023-00962-0

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