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17.08.2021 | Materialentwicklung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Die Lebenszyklusanalyse von neuen Materialien

verfasst von: Christoph Berger

5 Min. Lesedauer

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Um die Ökobilanz von Produkten zu verbessern, wird nach neuen Materialien gesucht, mit denen sich die etablierten substituieren lassen. Doch wie kann sich die Ökobilanz der neuen Materialen ermitteln lassen? Springer-Autoren liefern dafür eine Methode.

Beim 8. Chemical Sciences and Society Symposium 2019 diskutierten die Teilnehmer die Frage, welchen Beitrag die Chemie leisten kann, effiziente Methoden zur Wiederverwertung von Kunststoffen zu entwickeln und langfristig Ersatzstoffe aus nachhaltigen Rohstoffen zu schaffen? In einem später dazu dann veröffentlichten Whitepaper ist zu lesen, dass neue Kunststoffe bei der Entwicklung für die Kreislaufwirtschaft ausgelegt sein sollten. Um dies umzusetzen, seien neuartige Prozesse bei der Herstellung, Verarbeitung und auch beim Recycling erforderlich.

Empfehlung der Redaktion

2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

Methodology for Assessing the Environmental Impact of Emerging Materials

In order to reduce environmental impacts of product systems through material research and development, to identify mitigation potential, and to avoid problem shifting, information about the environmental impact of emerging materials is needed at an early stage.

Zudem sei es notwendig, die langfristigen Umweltauswirkungen von Kunststoffen zu reduzieren. Sprich: Für einige Anwendungen müssten ökologisch abbaubare Kunststoffe entwickelt werden. Dazu müsse verstanden werden, wie Kunststoffe in einem breiten Spektrum von Umgebungen vollständig zu unkritischen kleinen Molekülen abgebaut werden und welchen Einfluss zum Beispiel Feuchtigkeit, pH-Wert und Organismen darauf hätten. Um neue Materialien zu entwickeln, die wiederverwertbar und umweltverträglich abbaubar sind, sei weitere Forschung notwendig. Ökologisch abbaubare Kunststoffe müssen zudem in Leistung und Kosten wettbewerbsfähig sein.

Für die Lebenszyklusanalyse braucht es Daten und Informationen

Dass die Entwicklung neuer Materialien eine systematische Analyse erfordert, um unbeabsichtigte Folgen zu vermeiden, schreiben auch die Autoren des Kapitels "Methodology for Assessing the Environmental Impact of Emerging Materials" im Springer-Fachbuch "Technologies for economic and functional lightweight design". Zwar könnten neue Materialien, die sich derzeit in der Forschungs- und Entwicklungsphase befinden, die Umweltauswirkungen im Vergleich zu etablierten Materialien verringern und diese schließlich ersetzen, doch für einen solchen Entscheidungsprozess bräuchten Materialforscher und -entwickler verlässliche Informationen über die Umweltverträglichkeit – sowohl vom etablierten als auch dem neuen Material. Dazu würden sowohl die direkten Umweltauswirkungen gehören, die während des Lebenszyklus eines Materials entstehen, als auch die indirekten Auswirkungen, die die Materialeigenschaften haben können.

Doch genau an diese Informationen zu kommen, sei eine Herausforderung, schreiben sie weiter. Neue Materialen würden in der Regel im Labor- oder Pilotanlagenmaßstab hergestellt. Daher seien die relevanten Daten und Informationen, auf die sich die Bewertung stützt, nicht (öffentlich) verfügbar oder nicht repräsentativ für ein potenzielles Produktsystem im kommerziellen Maßstab.

Der Vorschlag einer Methodik

In dem Kapitel schlagen die Autoren eine Methode vor, die als Anleitung für die Materialentwicklung und -forschung herangezogen werden kann. Und die das Ziel verfolgt, neuartige Materialien mit einer geringeren Umweltbelastung als etablierte zu entwickeln. Sie beziehen sich dabei auf Materialien für den Fahrzeuginnenraum von Autos – auf Leder, Kunstleder und eine neue Materialalternative auf der Basis von Flachsfasern.

Die Methode gliedert sich grob zusammengefasst in folgende Schritte:

  1. Durchführung einer Lebenszyklusanalyse, Englisch: life cycle assessment beziehungsweise LCA, an einem Referenzmaterial, das dem neuen Material so ähnlich wie möglich ist. Besteht Zugang zu den Produktionsanlagen des Materials, könne sich die Ökobilanz auf Primärdaten stützen. Ansonsten sollte man sich auf veröffentlichte Ökobilanzstudien und Datenbanken konzentrieren.
  2. Durchführung einer Ökobilanz für das neue Material. Mögliche Datenquellen könnten hierbei Primärdaten aus dem Labor oder aus einer Pilotproduktionslinie sein, ebenso Hintergrunddaten aus Ökobilanzdatenbanken, Experteninformationen, veröffentlichte Ökobilanzstudien zu ähnlichen Materialien oder zu Materialien, die Teil des neu entstehenden Materials sind, öffentliche Datenbanken oder Herstellerinformationen.
  3. Die Skalierung beziehungsweise die Ökobilanzanpassung des neuen Materials, um die Veränderungen widerspiegeln, wenn das Material in den industriellen Produktionsmaßstab überführt wird. 
  4. Der Vergleich der beiden Materialien.

Nach Anwendung der Methode auf die erwähnte Beispielanwendung kommen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass die Methodik ein Ausgangspunkt für die Bewertung der Umweltauswirkungen von neuen Materialien sein kann.

Leicht und umweltfreundlich

Auch in dem Februar 2021 gestarteten und von der EU geförderten Innovationsprojekt Light Materials for Electric Vehicles, abgekürzt LEVIS, geht es um Ökodesign- und Kreislaufansätze: Leichtbaukomponenten für Elektrofahrzeuge sollen unter anderem im Hinblick auf diese Kriterien entwickelt werden. Theodora Skordili, Business Development Manager bei Cenex Nederland, einem der Partner im insgesamt aus 13 Partnern bestehendem Konsortium, erklärt: "Die Leichtbaukomponenten werden mit einem kreislaufbasierten Ansatz entwickelt. Das bedeutet, dass wir besonderes Augenmerk auf die Verwendung von recycelbaren Materialien legen und die Komponenten so konstruieren, dass nach Ende ihrer Lebensdauer kein Abfall entsteht und alle Teile recycelt oder für die gleiche oder eine andere Anwendung wiederverwendet werden können." So würden für die Herstellung der Zielkomponenten nur recycelbare Harze, biologisch hergestellte und recycelte Kohlenstofffasern verwendet. Darüber hinaus werde die Lebensdauer der Komponenten maximiert und alle strukturellen Bestandteile würden so konstruiert, dass eine einfache und effektive Demontage und Wiederverwendung der Komponenten möglich sei. Insgesamt soll es Ziel des auf drei Jahre angelegten Projekts sein, leichte, kostengünstige und umweltfreundliche Komponenten zu erhalten, ohne ihre mechanische Leistung, strukturelle Integrität und Zuverlässigkeit zu beeinträchtigen, und darüber hinaus ihre Lebensdauer zu verbessern.

Wie grundsätzlich ein Product Lifecycle Management ist, macht auch das Kapitel "Produktentstehungsprozess" im Springer-Fachbuch "Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik" deutlich. Darin heißt es: "Der schonende Umgang mit Ressourcen wird als eine ganzheitliche Aufgabe gesehen. Die daraus resultierenden Anforderungen werden frühzeitig in den Entwicklungsprozess eingebracht und umgesetzt. Interne Checklisten und Vorgaben wie z. B. Umweltnormen unterstützen alle Beteiligten bei der umweltgerechten Entwicklung der Bauteile, um schon heute den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden." Dabei gelte es, unter Betrachtung des gesamten Produktlebenszyklus, d. h. von der Auswahl umweltgerechter Werkstoffe, der Technologieprozesse und Fertigungsverfahren bis hin zum Recycling und Rückführung in den Materialkreislauf durch effiziente Nutzung nicht erneuerbarer Ressourcen und niedrige Emissionen die Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren.

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