7.1 Ausgangslage: Innovationsmanagement in KMU
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stehen im Management von Innovationen (vgl. Container „►
Management von Innovationen“) gegenüber Großunternehmen häufig vor besonderen Herausforderungen, insbesondere durch unterschiedliche Rahmenbedingungen (Tidd & Bessant,
2018). In KMU gibt es meist keine separate Abteilung bzw. keine explizit oder ausschließlich für Innovation verantwortliche Person. Innovationsaktivitäten werden als zusätzliche Aufgaben parallel zum Tagesgeschäft ausgeführt. Sie werden selten proaktiv angegangen und kommen aufgrund fehlender personeller und finanzieller Ressourcen häufig zu kurz (Jentsch & Zeiner-Fink,
2016; König & Völker,
2001; Scozzi et al.,
2005). Methoden des Innovationsmanagements sind in KMU oft wenig bekannt und kommen kaum zum Einsatz (Franken & Franken,
2011; Smerlinski et al.,
2009). Geringe oder fehlende Weiterbildungsaktivitäten (vgl. ► Abschn.
7.2) begrenzen ebenfalls (Dömötör,
2011). Hinderlich können auch eine geringe strategische Ausrichtung, fehlende eigene Forschung und Entwicklung sowie geringe (formalisierte) Kooperationsbereitschaft mit externen Partnern sein (Astor et al.,
2016; Spielkamp & Rammer,
2007).
Allerdings werden auch Potenziale von KMU im Management von Innovationen, wie wenige Hierarchiestufen oder kurze Kommunikationswege bzw. überschaubare Organisationsstrukturen und Flexibilität, gesehen (Franken & Franken,
2011; Hausman,
2005). Außerdem sind die Nähe zu Kundinnen und Kunden – auch im Sinne wenig formalisierter Innovationsbeziehungen (Astor et al.,
2016) – und eine geringe Arbeitsteilung innovationsförderlich (König & Völker,
2001). Die Geschäftsführung nimmt eine wichtige Rolle ein: sie kann bei Initiierung und Durchsetzung von Innovationen sowohl förderlich als auch hinderlich sein (König & Völker,
2001; Millward & Lewis,
2005). Auch spielt ihre Haltung im Hinblick auf Weiterbildung eine wichtige Rolle (Seeger,
2014). ◘ Tab.
7.1 fasst typische Stärken und Schwächen bei Innovationsarbeit in KMU zusammen.
Tab. 7.1
Typische Stärken und Schwächen von KMU im Hinblick auf Innovationsarbeit. (Quelle: Eigene Zusammenstellung basierend auf Astor et al. (
2016); Dömötör (
2011); Franken und Franken (
2011); Hausman (
2005); Jentsch und Zeiner-Fink (
2016); König und Völker (
2001); Scozzi et al. (
2005); Smerlinski et al. (
2009); Spielkamp und Rammer (
2007).)
wenige Hierarchiestufen und kurze Kommunikationswege | wenig Wissen über und Einsatz von Methoden des Innovationsmanagements |
Nähe zu Kundinnen und Kunden | begrenzte finanzielle Ressourcen |
Schnelligkeit | geringe personelle Ressourcen |
Flexibilität | fehlende strategische Ausrichtung |
Bei den typischen Schwächen fallen, neben eingeschränkten finanziellen Ressourcen, mitarbeitendenbezogene und kompetenzbezogene Aspekte auf (vgl. ◘ Tab.
7.1). Beim Aufbau und Ausbau von Kompetenzen der Mitarbeitenden gilt es, die vorhandenen KMU-typischen Stärken zu nutzen (Sprafke et al.,
2019). Denn der Auf- und Ausbau von Kompetenzen von Mitarbeitenden wird in engem Zusammenhang mit der Innovationsfähigkeit von Unternehmen gesehen (z. B. Hanselka et al.,
2020; OECD,
2011). Insbesondere KMU haben bei der betrieblichen Weiterbildung jedoch häufig Nachholbedarf (z. B. König,
2020, vgl. auch ► Abschn.
7.2). Hier setzt das Projekt InnoDiZ (vgl. Container „►
Über das Projekt InnoDiZ“) an. Im Projekt wurde gemeinsam mit Anwendungspartnern die Blended-Learning-Weiterbildung „Innovationsmanagement in KMU“ entwickelt und erprobt. Ziel dieses Beitrags ist es aufzuzeigen, wie hierdurch für KMU digital unterstützt ein Beitrag zum Aufbau von fachlich-methodischen Kompetenzen der Mitarbeitenden für das Innovationsmanagement geboten wird.
► Abschn.
7.2 thematisiert zunächst den Aufbau von Kompetenzen für das Innovationsmanagement in KMU, indem der hier zugrunde gelegte Kompetenzbegriff skizziert wird, bevor das Innovationsmanagement in den Fokus rückt. Schließlich wird auf betriebliche Weiterbildung in KMU eingegangen und die im Projekt InnoDiZ entwickelte Weiterbildung und deren Inhalte im Bereich der fachlich-methodischen Kompetenzen kurz vorgestellt. In ► Abschn.
7.3 werden Ergebnisse und Erfahrungen mit der Blended-Learning-Weiterbildung entlang des Innovationsprozesses vorgestellt. Es folgt ein resümierender Abschnitt zur Anwendung des Gelernten. ► Abschn.
7.4 beschließt mit einem Fazit und Implikationen für die Praxis.
7.3 Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Projekt InnoDiZ
In die Blended-Learning-Weiterbildung „Innovationsmanagement in KMU“ wurden im Zeitraum 2019–2021 insgesamt 75 Personen eingeladen, davon knapp ein Drittel Frauen. Die Beteiligungsquote lag über die Dauer der Weiterbildung für die W-Module bei 68 % der Eingeladenen. Die Teilnehmenden kamen aus 16 KMU im süddeutschen Raum aus verschiedenen Branchen der Privatwirtschaft (sowohl produzierende KMU als auch Dienstleistung/Handel). Üblicherweise waren pro KMU mehrere Teilnehmende zeitgleich eingeladen. Dies soll die KMU darin unterstützen, der häufig anzutreffenden Herausforderung der „Innovationskompetenz auf wenigen Schultern“ (Armbruster et al.,
2005; vgl. ► Abschn.
7.2) zu begegnen. Zu Beginn wurden die Teilnehmenden gefragt, was sie in der Weiterbildung hauptsächlich lernen bzw. welchen Nutzen sie daraus ziehen möchten. Die Antworten (
n = 48) zeigen, dass tendenziell die Lerninhalte mehr als die Vernetzung mit anderen oder neue Formen des Lernens im Zentrum stehen. Auch die Antworten (
n = 36) auf die offene Frage, woran nach Ende der Weiterbildung eine erfolgreiche Teilnahme festgemacht werden würde, weisen in Richtung neuer fachlich-methodischer Kompetenzen, aber auch auf soziale und personale Kompetenzen hin. Auffällig ist eine hohe Bezugnahme auf gelungene Umsetzung und Anwendung des Gelernten in der Praxis.
7.3.1 Überblick: Innovationsprozess und Methodensets entlang des Innovationsprozesses
Als Prozessmodell unterstützt der Innovationsprozess die Abfolge von Aufgaben im Innovationsmanagement (vgl. Container „►
Management von Innovationen“). Die Blended-Learning-Weiterbildung „Innovationsmanagement in KMU“ orientiert sich an vier Phasen des Innovationsprozesses (vgl. ◘ Abb.
7.1).
Zu Beginn der Weiterbildung schätzten Teilnehmende aus allen 16 KMU im Hinblick auf den Innovationsprozess und seine Phasen ein, wo sie sich in ihren KMU bereits gut aufgestellt sehen und wo weniger (n = 20 Rückmeldungen). Hier zeigte sich über alle vier Innovationsphasen (je mind. n = 16) – bei Unterschieden zwischen, aber auch innerhalb der KMU – ein Bedarf an Unterstützung bzw. Kompetenzaufbau in fachlich-methodischer Hinsicht, mit leichter Tendenz zu stärkerem Bedarf in der Phase Ideengewinnung (n = 19).
Im Verlauf der Weiterbildung wurde in den fachlich-methodisch orientierten W-Modulen (vgl. Container „►
Themen und Inhalte der W-Module in der Blended-Learning-Weiterbildung“), neben anderen Inhalten, eine Auswahl an etablierten Innovationsmethoden vorgestellt und mit den Teilnehmenden diskutiert. Hieraus ergibt sich für jede Phase des Innovationsprozesses ein Methodenset (vgl. Container „►
Methodensets entlang des Innovationsprozesses“). In den folgenden Abschnitten werden Ergebnisse und Erfahrungen mit den Methodensets entlang des Innovationsprozesses vorgestellt. Dabei wird auf den Status Quo in den KMU, den Einsatz der Methoden und den geäußerten Handlungsbedarf in den KMU eingegangen. Hierzu wird auf (freiwillig) eingereichte Übungen, Kurzumfragen, Diskussionen in Webinaren und Rückmeldungen auf der Lernplattform zurückgegriffen. Zu beachten ist, dass sich bei Weitem nicht alle der im jeweiligen Modul Eingeschriebenen
1 hier aktiv eingebracht haben, die Bandbreite ist groß und bewegt sich bei eingereichten Übungen zwischen sechs und 18, bei Antworten auf Kurzumfragen zwischen sieben und 32 sowie bei Webinar-Teilnahmen zwischen zehn und 30.
Rückmeldungen (
n = 29) auf eine offene Frage (Inwiefern können Sie nun Innovationen besser einordnen? In welchen Situationen könnte Ihnen das weiterhelfen?) zeigen, dass die überblicksartige fachliche Einführung in das Themengebiet Innovationsmanagement zu Beginn der Weiterbildung als hilfreich für ein besseres Verständnis von Innovationen (vgl. auch Container „►
Management von Innovationen“) empfunden wird. Begriffs(er)klärungen werden als vorteilhaft für ein gemeinsames Grundverständnis und die Kommunikation über das Management von Innovationen erachtet. Darüber hinaus werden neugewonnene Erkenntnisse zur Abgrenzung verschiedener Innovationsarten als nützlich betrachtet, um z. B. Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten im KMU zu identifizieren. Gleichzeitig werden durch die Teilnehmenden Grenzen der Anwendbarkeit in der KMU-Praxis thematisiert.
7.3.2 Strategische Orientierung/Problemidentifizierung
Für diese erste Phase ergibt sich bei der offenen Frage, inwiefern bisher Megatrends, Technologietrends oder Zukunftsentwicklungen in den KMU berücksichtigt werden, ein heterogenes Bild (n = 19). Fünf Antworten thematisieren, dass dies zu wenig oder gar nicht stattfindet. Bei den restlichen Antworten wird je zur Hälfte beschrieben, dass dies nur teilweise und eher unstrukturiert oder intuitiv realisiert wird (n = 7) bzw. von einer eher strukturierten und regelmäßigen Berücksichtigung berichtet (n = 7).
Zu den genutzten Methoden zur Entwicklung einer Innovationsstrategie wurde eine Kurzumfrage (
n = 32) durchgeführt (◘ Tab.
7.2).
Tab. 7.2
Genutzte Methoden zur Entwicklung einer Innovationsstrategie
Benchmarking | 13 |
SWOT | 10 |
Umfeldanalyse | 9 |
Lebenszyklusbetrachtung | 5 |
Portfolio-Ansatz | 5 |
Keine dieser 5 Methoden | 5 |
Weiß nicht | 7 |
Andere | 2 |
Insgesamt geben 21 Teilnehmende an, dass sie mindestens eine der fünf vorgestellten Methoden bereits einsetzen. Zu berücksichtigen ist, dass der Einsatz der Methoden nicht direkt darauf schließen lässt, dass auch eine Innovationsstrategie entwickelt wird, wie eine andere Kurzumfrage nahelegt (◘ Tab.
7.3).
Tab. 7.3
Vorhandensein einer Innovationsstrategie
Ja | 2 |
Nein | 10 |
Bin mir unsicher | 2 |
In 18 Antworten auf eine offene Frage nach dem Handlungsbedarf bei der Entwicklung einer Innovationsstrategie wird überwiegend grundlegender Handlungsbedarf (z. B. Erstellen, Ausarbeiten) thematisiert (n = 10), in zwei weiteren Antworten wird mehr Struktur und Konkretisierung einer bestehenden Strategie gewünscht. Handlungsbedarf wird auch beim Einsatz von Methoden (n = 4), bei der Kommunikation der Innovationsstrategie an die Mitarbeitenden (n = 3) oder einer stärkeren Einbindung von Fachbereichen und Mitarbeitenden (n = 2) geäußert.
7.3.3 Ideengewinnung
Für diese Phase zeichnet sich aus Rückmeldungen (n = 31) auf drei offene Fragen ab, dass bei der Analyse von Kundenproblemen und der Gewinnung von Ideen eher wenig systematisch vorgegangen wird. Gleichzeitig wird eine hohe Bedeutung der Kundenprobleme und -anfragen als Quelle für neue Ideen beschrieben (n = 19). Ideen entstehen seltener aus externen Informationsquellen wie Fachzeitschriften, Messen oder sozialen Medien (n = 8). In zwölf Antworten wird thematisiert, dass Ideen aus dem Unternehmen selbst kommen, z. B. von Mitarbeitenden.
Bei der Nutzung konkreter Methoden zeigt sich in den Antworten (n = 16) auf eine offene Frage erneut ein heterogenes Bild: Es werden teils keine der vorgestellten Methoden eingesetzt (n = 7). Der Rest (n = 9) gab an, dass bereits Methoden genutzt werden, allerdings nicht immer systematisch oder regelmäßig. Am häufigsten werden Brainstorming (n = 5) und die agile Methode Design Thinking (n = 2) genannt. In einer anderen Kurzumfrage (n = 14) geben vier Teilnehmende an, dass Personas – also fiktive Charaktere z. B. für Kundinnen und Kunden, ein Element aus dem Design Thinking – eingesetzt werden.
Bei der offenen Frage nach Methoden, die künftig (mehr) im KMU eingesetzt werden könnten, wird grundsätzlich der Einsatz von Kreativitätstechniken genannt, am häufigsten Brainstorming (künftig systematischer) (n = 3) und auch Design Thinking soll mehr Anwendung finden (n = 2). Bei der Erprobung von Kreativitätstechniken in einer Übung sahen die Teilnehmenden (n = 13) folgende Punkte als besonders hilfreich: Weiten des Blickwinkels, schnelle Findung von Ideen, Spaß bei der Bearbeitung im Team, Stärkung des Teams, schnelle und einfache Anwendbarkeit.
In den Antworten (n = 22) auf eine offene Frage zum Handlungsbedarf bei der Ideengewinnung wird grundlegender Handlungsbedarf zu Aufbau und Implementierung von Prozessen und Strukturen in ihren KMU geäußert (n = 10), nur in zwei Antworten wird geringer Bedarf berichtet. Ein stärkerer Methodeneinsatz wird angestrebt (n = 7); allerdings wird auch Bedarf zur Schaffung von Freiräumen und geeigneten Rahmenbedingungen für Kreativität thematisiert (n = 7).
7.3.4 Ideenbewertung und -auswahl
Rückmeldungen auf offene Fragen zeigen, dass einige der Teilnehmenden eine fehlende fundierte oder auch wenig systematisierte Ideenbewertung als Schwierigkeit in ihrem KMU empfinden (n = 9 von 25 Antworten). Es wird z. B. ausgeführt, dass eine unzureichende, eher oberflächliche oder intuitive Bewertung stattfindet und der Festlegung von Bewertungskriterien mehr Bedeutung beigemessen werden sollte. Thematisiert wird auch, dass Ideen teils zu früh verworfen werden (n = 3 von 17); außerdem sollte die Transparenz und Kommunikation der Bewertung erhöht werden (n = 2 von 17). Während bei manchen eine Bewertung im Team bzw. mit mehreren Beteiligten stattfindet (n = 8 von 21), wird von anderen die geringe Beteiligung von Mitarbeitenden hinterfragt (n = 5 von 17). Auffällig ist, dass die endgültige Auswahl und Entscheidung für oder gegen Ideen meist durch Geschäftsführung oder Führungskräfte getroffen wird (n = 12 von 21).
◘ Tab.
7.4 zeigt die Nutzung der vorgestellten acht Methoden auf Basis einer Kurzumfrage (
n = 32). Unterstützende Visualisierung aus dem Bereich der agilen Methoden (Kanban/Canvas) setzen in einer anderen Umfrage (
n = 14) einige (
n = 4) ebenfalls bereits ein.
Tab. 7.4
Bisher genutzte Methoden zur Ideenbewertung und -auswahl (Top 3)
Wirtschaftlichkeitsrechnung (quantitativ) | 17 |
Checklisten (qualitativ) | 12 |
Nutzwertanalyse (qualitativ) | 6 |
Mind. eine der vorgestellten Methoden | 23 |
Keine der vorgestellten Methoden | 6 |
Andere Methoden | 4 |
Weiß nicht | 2 |
Die Antworten (n = 19) auf die offene Frage zum Handlungsbedarf lassen sich v. a. Methodenkompetenz und Anwendung von Methoden zuordnen (n = 8). Zudem wird die Schaffung von mehr Struktur und Systematik (n = 6), die Einführung oder Verbesserung der Dokumentation von Ideen (n = 3) sowie die Erhöhung der Transparenz bei Bewertung und Auswahl (n = 3) angesprochen. Die Teilnehmenden äußern sich motiviert, die erlernten Bewertungsmethoden vermehrt einzusetzen.
7.3.5 Ideenumsetzung
Im Kontext der Ideenumsetzung werden von den Teilnehmenden in offenen Antworten Abläufe in ihren KMU beschrieben, die bislang eher klassisch organisiert sind (n = 3 von 8). Teilweise werden agile Vorgehensweisen getestet und agile Elemente wie Sprint Planning (n = 3 von 14) oder Sprint Backlog (n = 2 von 14) im Projektmanagement eingesetzt. In einer Kurzumfrage (n = 7) attestieren fünf Teilnehmende, dass bei der Ideenumsetzung ein unternehmensspezifisches Vorgehen besteht. Zwei berichten hingegen von fehlenden festen Vorgaben oder unkoordiniertem Vorgehen.
Die Antworten (n = 9) auf offene Fragen zur Gestaltung der internen Innovationskommunikation ergeben, dass diese in den KMU medienvermittelt und persönlich stattfindet. Medienvermittelt (n = 5) erfolgt sie z. B. über eine Mitarbeitendenzeitschrift, Aushänge oder E-Mail. Gleichwohl ist persönliche Kommunikation, in Gesprächen und Besprechungen, von Bedeutung (n = 5). Auffällig ist, dass die interne Innovationskommunikation oft erst spät im Prozess erfolgt (n = 5). Im Hinblick auf Herausforderungen bei der Markteinführung (v. a. bei Produktinnovationen) werden insbesondere marketingbezogene benannt, wie Wahl der Eintrittsmärkte, Festlegung des Verkaufspreises oder auch Bedenken, wie die Innovation von Kundinnen und Kunden angenommen wird (n = 6), weniger technische Risiken (n = 3) oder begrenzte finanzielle Ressourcen (n = 2).
Handlungsbedarf in der Phase der Ideenumsetzung wird in offenen Antworten (n = 8) bei der internen Innovationskommunikation (n = 5) identifiziert, welche häufiger, früher oder gezielter erfolgen sollte. Manche wünschen sich mehr Struktur (n = 3) sowie genauere Bewertungen des Marktpotenzials (n = 2). Einige Teilnehmende zeigen hohes Interesse an agilen Arbeitsweisen und wollen die agile Methode Scrum in ihren (künftigen) Innovationsprojekten (mehr) nutzen (n = 3).
Im Abschluss-Webinar (2021) blickten die Teilnehmenden in einer Kurzumfrage resümierend auf die Innovationsphasen und die damit verbundenen Methodensets (vgl. ◘ Tab.
7.5): Von 21 Antworten auf die Frage, für welche der vier Phasen (vgl. ◘ Tab.
7.5) am meisten mitgenommen/gelernt wurde für das eigene Innovationsprojekt, entfielen zehn auf die Bewertungs- und Auswahlphase und sieben auf die Ideenphase. Auf die Frage nach den zwei hilfreichsten Methoden (vgl. Container „►
Methodensets entlang des Innovationsprozesses“) entfielen von 40 Antworten 13 auf Methoden der Ideenphase. Dies lässt sich als Validierung der eingangs erhobenen Handlungsbedarfe (vgl. ► Abschn.
7.3.1) interpretieren.
Tab. 7.5
Resümee von Teilnehmenden zu Innovationsphasen und Methodensets. (Quelle: Eigene Darstellung)
1) Strategische Orientierung/ Problemidentifizierung | 3 | 4 |
2) Ideenphase | 7 | 13 |
3) Bewertungs- und Auswahlphase | 10 | 12 |
4) Umsetzungsphase (inkl. Markteinführung) | 1 | 11 |
7.3.6 Anwendung des Gelernten: Förderliche und hinderliche Bedingungen
Im Verlauf der Blended-Learning-Weiterbildung „Innovationsmanagement in KMU“ werden die Teilnehmenden aus den KMU in den fachlich-methodisch orientierten W-Modulen durch alle Phasen des Innovationsprozesses geführt. In den Rückmeldungen von Teilnehmenden wird für jede Phase Handlungsbedarf dargestellt, der sich v. a. auf zwei Aspekte bezieht: Strukturierung und Systematisierung der Abläufe sowie Einsatz von Methoden. Auch wenn die Teilnehmenden teilweise in ihren die Weiterbildung begleitenden Innovationsprojekten verschiedene Schwerpunkte auf einzelne Phasen und Methodensets legen, zeigt sich die Bedeutung der Betrachtung des gesamten Innovationsprozesses, um diesen auch für andere (künftige) Projekte zu kennen.
Die Eingebundenheit ins Tagesgeschäft und die daraus resultierende knappe Zeit zur Befassung mit den Weiterbildungsinhalten stellt einige Teilnehmende vor Herausforderungen. Daher werden schnelle und einfache methodische Werkzeuge sowie ein praxisnaher Ansatz und unterstützter Lerntransfer benötigt. Insbesondere bei eher abstrakten Inhalten fällt es den Teilnehmenden an manchen Stellen schwer, diese auf die Praxis anzuwenden. Der Projektbezug und die Unterstützung der Anwendung des Gelernten wurde daher im Lauf der Weiterbildung weiter verstärkt. Hier schätzen die Teilnehmenden die Webinare und den dort stattfindenden persönlichen Austausch mit Dozierenden und anderen Teilnehmenden. Der Branchenmix im Projekt InnoDiZ kann den ‚Blick über den Tellerrand‘ unterstützen.
Bestimmte Rahmenbedingungen im KMU hemmen die Anwendung des Gelernten. So wurde berichtet, dass fehlende Unterstützung der Geschäftsleitung und des Arbeitsumfeldes den Einsatz von (neuen) Methoden (ver-)hindern kann, obwohl dies für ein Innovationsprojekt sinnvoll wäre. Mehrfach wurde eine (stärkere) Initiative von Geschäftsführung oder Führungskräften für eine Veränderung beim Management von Innovationen sowie der (stärkere) Einbezug verschiedener Fachbereiche des KMU gewünscht.
Der hier vorgestellte Ansatz kann dazu beitragen, die in ► Abschn.
7.2 diskutierten Kompetenzanforderungen zu unterstützen. So ist für die Teilnehmenden – auf Basis des thematisierten ‚Methodenkoffers‘ (vgl. Container „►
Methodensets entlang des Innovationsprozesses“) – deutlich geworden, dass keine pauschalen Empfehlungen bestehen, sondern für die jeweilige Innovationssituation entschieden und abgewogen werden muss, welche Methoden geeignet sind. Hier kommt es auch auf die Verfügbarkeit von entsprechenden Kompetenzen im Team bzw. im KMU an. Dies betrifft nicht zuletzt auch die Auswahl von eher klassischen oder eher agilen Methoden. Die meisten KMU sind nach wie vor eher klassisch orientiert und Wissen über oder Erfahrungen mit agilen Methoden sind nicht die Regel. So wird in einer Rückmeldung die (künftige) Anwendbarkeit von agilen Methoden als schwierig eingeschätzt „[d]a ich […] alleine an dieser Weiterbildung teilnehme und erst einmal die Basis im Team schaffen müsste.“ (W1.5(2)-T-7) In einer weiteren Rückmeldung wird als Grund benannt „[w]eil in unserem Unternehmen das Thema bisher noch nicht angesprochen wurde, nur auf der Ebene eines GFs [Geschäftsführers, Anm. d. Autorinnen und Autoren], der sich damit beschäftigt hat.“ (W1.5(1)-T3-11) Interesse an agilen Methoden ist unter den Teilnehmenden durchaus vorhanden, wie in einer weiteren Rückmeldung prägnant wird:
„Auf jeden Fall werde ich agile Methoden in kleinen Projekten ausprobieren und integrieren. Inwiefern es gelingt Agilität im größeren Kontext in einem traditionellen Familienunternehmen einzuführen, bleibt noch offen…“ (W1.5(1)-T-2)
KMU und ihre Mitarbeitenden stehen vor der Herausforderung, dass einzelne Personen verschiedene Perspektiven abdecken müssen, die durchaus auch andere methodische Kompetenzen erfordern (Hafkesbrink & Schroll,
2014): Eine exploitativ (bestmögliche Nutzung von Ressourcen, inkrementelle Verbesserungen) und eine explorativ (Entwicklung neuer Ideen und Innovationsansätze) ausgerichtete Perspektive (siehe auch Lang-Koetz et al.,
2023). Daher umfasst das Konzept der hier vorgestellten Weiterbildung bewusst ein breites Set aus eher klassischen und eher agilen Methoden, um beide Perspektiven bestmöglich abzudecken.
7.4 Fazit und Implikationen für die Praxis
Die im Projekt InnoDiZ entwickelte Blended-Learning-Weiterbildung „Innovationsmanagement in KMU“ zeigt sich als vielversprechender Ansatz für die betriebliche Weiterbildung in KMU. Die W-Module bieten entlang der typischen Phasen eines Innovationsprojekts einen Überblick über fachlich-methodische Themen und Methoden. Der modulare Aufbau erlaubt KMU außerdem, bei Bedarf passgenau für einzelne Phasen Kompetenzentwicklung zu betreiben und entsprechende Methodensets zu fokussieren. Darüber hinaus bietet der entwickelte Ansatz die Möglichkeit zu überbetrieblicher Vernetzung für KMU. Ein weiterer Vorteil liegt in der ganzheitlichen Bearbeitung des Themas Innovationsmanagement.
2
Für den Erfolg der Blended-Learning-Weiterbildung und den Lerntransfer gilt es, die unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen zu beachten. So braucht es zeitliche und räumliche Freiheiten für die Teilnehmenden der Weiterbildung. Dies mutet trivial an, stellt aber viele KMU in der Praxis vor Herausforderungen. Zur Unterstützung des Lerntransfers ist die weiterbildungsbegleitende Bearbeitung von Innovationsprojekten im KMU nicht zu unterschätzen. Schließlich kommt der Unterstützung von Unternehmensseite und durch Führungskräfte gerade bei stärker selbstorganisierter Kompetenzentwicklung eine große Rolle zu (Bauer et al.,
2012; vgl. auch Container „►
Erfolgsförderliche Rahmenbedingungen“). Erfahrungen und Ergebnisse aus dem Projekt InnoDiZ zeigen, dass in den KMU Unterstützungsbedarf zu Themen rund um Führung und Selbstorganisation besteht. Daher wurde, nicht zuletzt im Hinblick auf den (künftigen) Einsatz agiler Methoden in den KMU, ein Vertiefungsmodul „Führung für agiles Arbeiten“ entwickelt. Essenziell ist es zudem, Kompetenzentwicklung als ein strategisches Unternehmensziel zu verankern, das von allen betrieblichen Akteurinnen und Akteuren Beachtung findet (Decius & Schaper,
2021).
Digital unterstützte Formate wie die im Projekt InnoDiZ entwickelte Weiterbildung können für KMU einen Zugewinn an zeitlicher und räumlicher Flexibilität für die betriebliche Weiterbildung bieten. Nicht zuletzt haben durch die Corona-Pandemie viele Unternehmen, davon viele erstmals, verstärkt Weiterbildung mit digitalen Formaten genutzt (Bellmann et al.,
2020), sodass davon ausgegangen werden kann, dass auch in KMU weniger Unsicherheiten oder gar Vorbehalte gegenüber Blended-Learning-Weiterbildungen bestehen. Sowohl Lernbereitschaft als auch Technologieakzeptanz könnten sich erhöht haben. Das aktuell verstärkte Angebot und der erfolgte Ausbau notwendiger Infrastruktur in KMU könnten somit weiter flexibel handhabbare betriebliche Weiterbildung für und in KMU befördern.
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