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04.04.2024 | Recruiting | Gastbeitrag | Online-Artikel

Feste Stellenprofile sind bald passé

verfasst von: Sophia von Rundstedt

3:30 Min. Lesedauer

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Deutsche Unternehmen befinden sich im Kräftedreieck aus steigenden Personalkosten, demografischer Krise und exponentiellen Tech-Wellen. Um erfolgreich zu manövrieren, bedarf es neuer HR-Ansätze für wertschöpfende Arbeit. 

Ein vielversprechendes Konzept für mehr Beweglichkeit im Personalmanagement ist der schrittweise Übergang von festen Stellenprofilen zur aufgaben-basierten Arbeit, der in den USA bereits seit einigen Jahren erprobt wird, so die Wall-Street-Journal-Autoren John W. Boudreau und Ravin Jesuthasan. Um die Wirkungskräfte im Dreieck und die Einsatzmöglichkeiten der aufgaben-basierten Arbeit zu verdeutlichen, wird jede der drei Seiten getrennt analysiert. 

Personalkostendruck und dessen Konsequenzen 

Bereits seit 2015 steigen die Personalkosten als Ausdruck der Verknappung von Mitarbeitenden. Sowohl in der Industrie als auch im Dienstleistungssektor sind die meisten Prozesse und Strukturen seit vielen Jahren etabliert. In diese starre Struktur fügen sich die festen Stellenprofile ein. Unternehmen, die sowohl in Deutschland als auch in Ostmitteleuropa produzieren, machen hier aufschlussreiche Erfahrungen. 

Während an deutschen Standorten ein hoher Anteil von Beschäftigten mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung eingesetzt wird, erfolgt die Produktion in den östlichen Nachbarländern in einem großen Teil durch An- und Ungelernte beziehungsweise durch Beschäftigte mit unterschiedlichen beruflichen Bildungswegen. Das überdurchschnittliche Gehalt bei einem deutschen Arbeitgeber motiviert sie zu einer deutlich höheren Improvisations- und Anpassungsfähigkeit sowie zu einer überdurchschnittlichen Lernbereitschaft in Eigenverantwortung. Dieser Mindset-Faktor trägt neben den Kostenvorteilen zu einer erneuten Verlagerungswelle deutscher Produktionsstandorte nach Ostmitteleuropa bei, so die "Wirtschaftswoche" im Februar.

Die immer noch unterschätzte demografische Krise  

Obwohl die demografische Krise bereits seit Jahrzehnten absehbar ist, steht sie erst seit wenigen Jahren auf der Agenda von Entscheidern. Hier zeichnet sich ein weiterer Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA ab, die sich als technologisch führende Industrienation neu erfinden.  

Arbeitgeber in Deutschland müssen daher bereits heute innovative Maßnahmen zur Sicherung ihrer Talent Supply Chain ergreifen, die sich grundlegend von den üblichen Ansätzen wie optimiertes Recruiting, Employer Branding und Ansprache neuer Bewerbergruppen unterscheiden. Experten für Unternehmensinsolvenzen gehen inzwischen davon aus, dass sich Personalengpässe in den nächsten Jahren zu einem veritablen Insolvenzgrund entwickeln werden. Es wäre ein fataler Ansatz, das Qualifikationsniveau bei der Rekrutierung zu senken und gleichzeitig die Arbeitsorganisation unverändert beizubehalten.  

Aufgaben auf begrenzte Workforce verteilen

Sämtliche Prozesse und Strukturen müssen auf den Prüfstand gestellt werden, um Wertschöpfungspotenziale einerseits und Kostenstrukturen andererseits in Einklang zu bringen. Hier kann der Übergang von festen Stellenprofilen zur aufgaben-basierten Arbeit ein Baustein sein, um dem Fachkräftemangel zumindest partiell zu begegnen. Arbeitsprozesse werden in Aufgaben mit einem hohen und niedrigen Wertschöpfungspozential segmentiert. 

So kann die erste Aufgabenkategorie auf die begrenzte Workforce verteilt werden. Aufgaben mit unrentabler Wertschöpfung am deutschen Standort werden gleichzeitig ins kostengünstigere Ausland verlagert oder als virtuelle Dienstleistungen in Offshoring-Ländern wie Indien erbracht. Dank digitaler Plattformen werden die global realisierten Aufgaben wieder in komplexe Leistungsprozesse zusammengeführt, die in wettbewerbsfähige Produkte oder Dienstleistungen münden.  

Das Doppelgesicht von Digitalisierung und KI 

Auch der Hype um die Generative KI (GenAI) seit Herbst 2022 hat große Hoffnungen auf schnelle Produktivitätsgewinne und eine baldige Entlastung beim Fachkräftemangel geweckt. Vergangene Tech-Wellen haben stets eine Überschätzung des kurzfristigen Wirkungspotenzials bei gleichzeitiger Unterschätzung der langfristigen Veränderungen von Wirtschaft und Gesellschaft gezeigt. Aktuell verortet der AI Hype Cycle der Digital-Beratung Gartner die Generative KI auf dem Höhepunkt der überzogenen Erwartungen.

Allzu oft werden Projekte mit völlig unrealistischen Zielen aufgesetzt, die zum Ziel haben, die Arbeitsplätze in kurzer Zeit vollständig zu ersetzen. Viel sinnvoller ist es, Stellenprofile in Aufgaben herunterzubrechen und diese auf ihr Potenzial für eine vollständige oder teilweise Automatisierung durch KI zu prüfen. Die kurzfristig größten Produktivitätsgewinne werden sich durch die Nahtstelle von menschlicher Arbeit und KI-Unterstützung ergeben, die sich radikal von der seit langem etablierten Schnittstelle Mensch–Computer unterscheidet.  

Die Reorganisation von Arbeitsprozessen und die parallele KI-Einführung erfordern jedoch einen ganzheitlichen Ansatz: 

  • Commitment des Top-Managements, 
  • hierarchisch hoch angesiedelter Projektsponsor,
  • integriertes Budget für Technologie, Organisations- und Personalentwicklung,
  • frühzeitige Einbindung der Mitbestimmung,
  • individuelle Qualifizierungsangebote für die Beschäftigten, 
  • Empowerment zu einer völlig neuen Arbeitswelt,
  • Vertrauen in die eigene Beschäftigungsfähigkeit durch längerfristige Investitionen des Arbeitgebers in die Weiterbildung und eigenverantwortliches Lernen des Arbeitnehmers.  

Unternehmen, die diese Herausforderung annehmen und im oben beschriebenen Kräftedreieck umsetzen, haben sehr gute Chancen, chronische Personalengpässe besser zu beherrschen und gleichzeitig Beschäftigte durch innovative hochproduktive Arbeitsplätze längerfristig zu binden. 

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