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2024 | Buch

Produktivität neu denken

Vom Trennungs- zum Vermittlungsbegriff

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Über dieses Buch

Der Begriff der Produktivität findet täglich Verwendung, um die eigene Leistung zu bewerten. Darin, so die These, zeigt sich ein problematisches Verhältnis zur eigenen Tätigkeit. Denn was bedeutet Produktivität? Die Autorin geht von dem antiken weiten Verständnis von Produktivität als generellem Wirkprinzip aus und zeigt, wie sich Vorstellungen in Bezug auf das, was als produktiv gilt, gewandelt haben. Heute dominiert das ökonomische Verständnis, das die Beziehung zwischen Input (hervorbringender Natur) und Output (hervorgebrachter Natur) quantifiziert. Produktiv ist der Mensch, wenn er viel schafft – und nicht, wenn er ‚sich hervorbringt‘. Die Autorin entwickelt einen neuen Produktivitätsbegriff, der die menschliche Fähigkeit zu produktiver Selbstwerdung ins Zentrum stellt. So entsteht auch ein neuer Blick auf (humanistisch) produktive Arbeit, der diese nicht an Effizienzmaximen, sondern der Beziehung des Subjekts zur Tätigkeit festmacht. Zugleich soll Systemproduktivität im Subjekt verwurzelt werden: Das (wirtschaftliche) System gilt nicht mehr als produktiv, wenn es kurzfristig Gewinne, sondern nur, wenn es langfristig Bedingungen für Individual(re)produktivität bereitstellt. Der Begriff der Produktivität wird so (wieder) als Vermittlungsbegriff fruchtbar gemacht.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung: Ich bin produktiv, da ich leiste? – Das Problem des ökonomischen Produktivitätsbegriffs auf Individualebene
Zusammenfassung
Ilja Iljitsch Oblomow, der berühmte Protagonist des gleichnamigen Romans von Gontscharow, verbringt seine Tage im Liegen. Er, der zur Mitte des 19. Jahrhunderts als einer der wenigsten Russ:innen aufgrund des geerbten Gutes das Privileg vollständiger finanzieller Absicherung genießt und dem alle Welt offenzustehen scheint, verträumt weit weg in St. Petersburg seine Zeit auf dem Sofa und schlummert beim Ersinnen großer Pläne oder beim Wälzen süßer Kindheitserinnerungen stets wohlig ein. Aufgrund seiner Trägheit verwahrlost derweil sein Gut, scheitert die ihn kurz zu neuem Leben erweckende Beziehung zu Olga und werden ihm Hab und Gut von schlauen Nutznießern nach und nach entwendet.
Hannah Schragmann
Kapitel 2. Was ist Produktivität? Eine Spurensuche in der Philosophiegeschichte
Zusammenfassung
Bereits in der Einleitung wurde auf die Vielschichtigkeit des Produktivitätsbegriffs hingewiesen. Denn so intuitiv wir alltagssprachlich den Begriff verwenden, um Erfahrungen zu beschreiben („mein Tag heute war wirklich unproduktiv“), so ungenau bleibt dessen Bedeutungskern bei genauerem Hinschauen. Ziele dieses Kapitels sind daher erstens eine systematische Analyse der verschiedenen Bedeutungsebenen, die philosophiegeschichtlich im Begriff der Produktivität enthalten sind, und zweitens eine Beschreibung der historischen Begriffsentwicklung und -verschiebung.
Hannah Schragmann
Kapitel 3. Zeitgenössische Kritiker des ökonomischen Produktivitätsimperativs: Erich Fromm und Hartmut Rosa
Zusammenfassung
Nach diesem (eklektisch bleibenden) ideengeschichtlichen Überblick widmet sich das folgende Kapitel der Frage, wie ein humanistischer Produktivitätsbegriff aussehen könnte, der das Subjekt und dessen Selbst- und Weltbezug ins Zentrum stellt. Zu diesem Zweck soll in Kapitel drei auf die Theorien Erich Fromms und Hartmut Rosas zurückgegriffen werden, bevor in Kapitel vier Kriterien für einen humanistischen Produktivitätsbegriff definiert werden. Der Auswahl der Autoren liegt die These zugrunde, dass beide die Frage nach produktiver Selbstwerdung neu stellen und diese an der lebensweltlichen Erfahrung spiegeln.
Hannah Schragmann
Kapitel 4. Entwicklung eines humanistischen Produktivitätsbegriffs auf Individualebene
Zusammenfassung
Was kann Produktivität im menschlichen Leben konkret bedeuten? Dieses Kapitel soll einen humanistischen Produktivitätsbegriff entwickeln, der in Kapitel fünf in den gesellschaftlichen Kontext eingeordnet wird. In Abschnitt 3.3.3 wurde folgende erste These in Bezug auf den humanistischen Produktivitätsbegriff aufgestellt: Produktivität als „Hervorbringung dessen, was im Hervorbringenden angelegt ist“ kann nur im Zusammenspiel zwischen (i) gegenwärtiger Erfahrung und (ii) lebensgeschichtlichem Streben begriffen werden.
Hannah Schragmann
Kapitel 5. Produktivität zwischen Subjekt und System
Zusammenfassung
Der in Kapitel vier entworfene humanistische Produktivitätsbegriff sollte die These beantworten, was Produktivität in Bezug auf den Menschen bedeuten kann und einen Gegenentwurf zum geläufigen ökonomisch gedachten Produktivitätsbegriff aufzeigen. Dazu sollte der in These eins definierte Zusammenhang zwischen gegenwärtigem Erleben und biographischem Streben im Mittelpunkt stehen. Was bedeutet die Hervorbringung dessen, was im Hervorbringenden bereits angelegt ist? Wie erlebt das einzelne Subjekt Produktivität? Produktivität wurde dabei als Beziehung zwischen Erfahrung und Prozess konzeptualisiert. Konstitutives Merkmal einer Produktivitätserfahrung ist dabei das in ihr angelegte Bedürfnis nach biographischer Wiederholung, nach Reproduktivität.
Hannah Schragmann
Kapitel 6. Ist ein nachhaltiges System ein produktives System? Chancen und Grenzen einer geteilten Zukunftsvision
Zusammenfassung
Wie kann in Bezug auf das in Abschnitt 5.4.4 vorgestellte Rahmenkonzept Fortschritt erzielt werden? Kapitel sechs zeigt am Beispiel des Nachhaltigkeitstrends, welche Potentiale dieses beinhaltet, um angesichts der komplexen Realitäten trotzdem Bedingungen für Individual(re)produktivität voranzutreiben. Denn nach den Ausführungen von Abschnitt 5.4 sollte klar sein, wie schwierig die Umsetzung dieses Werts ist. Es braucht ein gleichzeitiges Ansetzen bei Sein und Bewusstsein (zur Erinnerung vgl. Abbildung 11), also einen materiellen Umbau hin zu einem globalen, reproduktiven System, welches das Subjekt langfristig i) von materiellen Ängsten befreit und ii) Räume zur produktiven Selbstwerdung bereitstellt.
Hannah Schragmann
Kapitel 7. Fazit
Zusammenfassung
In dieser Dissertation wurde der Versuch unternommen, den Begriff der Produktivität neu zu konzeptualisieren und ihn als Vermittlungs- anstatt als Trennungskategorie wieder fruchtbar zu machen. Zugleich sollte das Lesen der Dissertation ein performatives Element enthalten und einen Beitrag zum Bewusstseinswandel hin zu einer neuen Bewertung von Produktivität leisten. Durch das Auseinanderhalten von ökonomischen und humanistischen, von Systemlogiken und Individuallogiken sollte so in Bezug auf das in der Einleitung skizzierte Einbettungs- und Orientierungsproblem Hilfestellung geleistet werden.
Hannah Schragmann
Backmatter
Metadaten
Titel
Produktivität neu denken
verfasst von
Hannah Schragmann
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-43858-6
Print ISBN
978-3-658-43857-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-43858-6

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