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02.09.2020 | Metalle | Schwerpunkt | Online-Artikel

China produziert über 60 Prozent des weltweiten Stahls

verfasst von: Thomas Siebel

4:30 Min. Lesedauer

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Seit Anfang 2019 hat China seinen Anteil am Weltmarkt für Stahl um zehn Prozent gesteigert. Zugleich verweigert sich das Land dem internationalen Dialog über den Abbau von Überkapazitäten.

China hat seine beherrschende Stellung auf dem weltweiten Stahlmarkt im ersten Halbjahr 2020 weiter ausgebaut. Seit April übersteigt der Anteil des chinesischen Rohstahls am Weltmarkt erstmals und anhaltend die Schwelle von 60 Prozent, wie Zahlen der World Steel Association belegen. Anfang 2019 lag der chinesische Anteil noch bei knapp über 50 Prozent. Zwar brach die globale Stahlproduktion infolge der Corona-Pandemie im April zwischenzeitlich ein, China baute währenddessen jedoch seine Kapazitäten erheblich aus, von knapp 79 Millionen Tonnen im März 2020 auf über 93 Millionen Tonnen im Juli. Damit nimmt China im weltweiten Stahlmarkt, wie auch bei anderen Metallen, die unangefochtene Spitzenstellung ein. Der Anteil des zweitgrößten Stahlerzeugerlands Indien nimmt sich mit circa 7 Millionen Tonnen und einem Weltmarktanteil von 4,6 Prozent dagegen vergleichsweise klein aus. Die USA als sechstgrößter Stahlproduzent kommen auf 3,5 Prozent Weltmarktanteil, Deutschland – vor Italien mit der größten Stahlindustrie in Europa – kommt auf 1,6 Prozent. Zu Beginn des Jahres 2019 lag der deutsche Anteil noch bei circa 2,3 Prozent.

Der sprunghafte Anstieg der chinesischen Produktion hängt laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters auch mit einer erhöhten inländischen Nachfrage zusammen. So habe die chinesische Regierung die Infrastrukturausgaben angekurbelt, während die verarbeitende Industrie nach dem Lockdown ihren Betrieb wieder hochgefahren habe. Die Automobilindustrie und die Baubranche bestimmen demnach die Nachfrage. Die Auslastung der 247 Stahlwerke in China habe Mitte August bei über 95 Prozent gelegen.

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2020 | OriginalPaper | Buchkapitel

Development Road of China’s Modern Iron and Steel Industry

The development of the modern iron and steel industry in China began in 1949 when the People’s Republic of China was founded. In the past 70 years, along with China’s growth and development, the modern iron and steel industry  in China has experienced a great course of recovery, growth, and rise.

China beherrscht Stahlmarkt über Jahrzehnte

Trotz ihrer Stärke steht die chinesische Stahlindustrie auch vor ernsthaften Herausforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit starken Überkapazitäten und einer schwachen Innovationsfähigkeit, wie Xinchuang Li im Kapitel Development Road of China’s Modern Iron and Steel Industry im Buch The Road Map of China's Steel Industry analysiert. Zwar habe China bereits erheblich Anstrengungen zur Transformation seiner Eisen- und Stahlindustrie unternommen, unter anderem mit dem 2016 gefassten Beschluss, die Produktionskapazitäten aus rückständigen Stahlwerken innerhalb von fünf Jahren um 140 Millionen Tonnen zu reduzieren, ohne das Problem der zum Teil technologisch rückständigen Stahlwerke damit jedoch komplett zu beheben. Nach wie vor mangele es zudem an langfristigen Investitionen in Innovation, auch seien Kooperationen zwischen Produktion und Forschung noch zu wenig ausgeprägt.

Trotzdem wird China nach Ansicht des Autors auf Jahrzehnte die führende Rolle im globalen Stahlmarkt einnehmen. Dafür nennt er fünf Gründe:

  1. China sei die Volkswirtschaft mit der größten und dynamischsten Nachfrage nach Stahl. Bereits 2016 habe China mit 728 Millionen Tonnen 45 Prozent der globalen Stahlproduktion verbraucht.
  2. Im weltweiten Vergleich habe China die umfassendste Stahlwirtschaft, einschließlich Planung und Bau von Stahlwerken, Zulieferbetriebe, Erzeugung und Betrieb oder Forschung an neuen Technologien.
  3. Die chinesische Stahlindustrie könne auf den weltweit größten Pool an Fachkräfte zurückgreifen, unter anderem aufgrund zahlreicher metallurgischer Universitäten.
  4. Chinas Stahlindustrie verfüge über modernste Technologien. Mehr als die Hälfte der Produktionsanlagen hätten ein auch im internationalen Maßstab fortschrittliches Niveau.
  5. Chinas Eisen- und Stahlindustrie verfüge über das weltweit schnellste und pünktlichste Dienstleistungssystem.

Da sich absehbar keine weiteren Länder und Regionen mit mehr als einer Milliarde Einwohnern ähnlich schnell industrialisieren und urbanisieren würden, erwartet der Autor, dass die Volksrepublik die weltweite Stahlindustrie noch mindestens hundert Jahre anführen werde.

Subventionen, Dumpingpreise und Überkapazitäten

Trotz der großen Erzeugerkapazität ist China nach Russland, der Türkei, der Ukraine, Südkorea und Indien nur der sechstgrößte Importeur von Walzstahl in die EU. Laut Zahlen der Wirtschaftsvereinigung Stahl hat Russland im Jahr 2019 mit 7,3 Millionen Tonnen fast viermal so viel Walzstahl in die EU eingeführt wie China. Dennoch steht China seit Jahren in der Kritik. So gewährt die Volksrepublik laut Wirtschaftsvereinigung Stahl Umsatzsteuerermäßigungen auf Exporte, sie subventioniert die heimische Industrie und sie erhebt Importzölle. Zudem ist das Land 2019 aus dem von den G20-Saaten gegründeten Global Forum on Steel Excess Capacity (GFSEC) ausgestiegen, das Missstände wie WTO-widrige Subventionen und Dumpingpreise im globalen Stahlmarkt im Rahmen eines Dialogs zwischen den Stahlerzeugerländern beheben sollte. Im Handlungskonzept Stahl erwägt die Bundesregierung gar ein gemeinsames Vorgehen von Stahlerzeugerländern, die besonders unter der Überproduktion leiden, sollte China nicht an den Tisch des GFSEC zurückkehren.

Das Problem der Überkapazitäten ist ein generelles in der weltweiten Stahlindustrie. Bereits 2016 lagen die globalen Überkapazitäten laut OECD bei 737 Millionen Tonnen. Zum Vergleich: Deutschland produzierte 2016 42 Millionen Tonnen Stahl. Die World Steel Association rechnet zwar mit einer langfristig steigenden Nachfrage von jährlich einem Prozent. Zugleich investieren aber zahlreiche Länder in einen weiteren Ausbau ihrer Kapazität, der den Nachfragezuwachs übersteigt. Allein im Jahr 2019 nahmen die Kapazitäten laut OECD um 1,5 Prozent zu, im Zeitraum bis 2022 könnten weitere zwei bis drei Prozent hinzukommen.

Dass sich bestehende Überkapazitäten nur schwer abbauen lassen, hat handfeste wirtschaftliche und politische Gründe, wie Roland Döhrn in seinem Beitrag Stahlkrise reloaded? Lage und Aussichten für die deutsche Stahlindustrie für den Wirtschaftsdienst 1/20 erläutert. Die Stahlerzeugung ist sehr kapitalintensiv. Die hohen Sunk Costs verleiten Stahlunternehmen dazu, bestehende Anlagen möglichst lange zu nutzen und hoch auszulasten. Zudem befinden sich Stahlwerke oft in strukturschwachen Regionen, weswegen die Politik Schließungen von Standorten und dem Verlust von mehreren Tausend Arbeitsplätzen zu vermeiden versucht.

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