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05.01.2024 | Konsumentenkredit | Gastbeitrag | Online-Artikel

Kreditausfälle digital erkennen und frühzeitig adressieren

verfasst von: Dr. Ulrich Wiesner, Peter Lemon

4 Min. Lesedauer

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Europaweit leiden Konsumenten unter gestiegenen Preisen, die die Einkommen stagnieren lassen. Zahlungsstörungen sind eine häufige Folge. Mit digitalen Tools ermitteln Banken gefährdete Kunden und können gezielt gegensteuern.

In Deutschland sind die Reallöhne im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr um vier Prozent gesunken. Infolgedessen kommen private Haushalte zunehmend durch längerfristiges Niedrigeinkommen und unwirtschaftliche Haushaltsführung in Zahlungsschwierigkeiten. Schulden bei Online-Händlern und durch BNPL-Verträge setzen eine steigende Zahl von Haushalten zusätzlich unter Druck.

Zahlungsstörungen bei privaten Haushalten steigen

Es ist deshalb von einer deutlichen Zunahme der Fallzahlen von Kunden mit ernsthaften Zahlungsstörungen und einer zunehmend automatisierten, digital gesteuerten Bearbeitung solcher Fälle - international und branchenübergreifend. Dabei sind besonders die Unternehmen erfolgreich, welche bei der Automatisierung die folgenden Prinzipien beachten:

  1. Die Verwendung interner und externer Daten zum detaillierten Verständnis der finanziellen Situation der Kunden und zur Steuerung der notwendigen Maßnahmen. 
  2. Die Fähigkeit, diese Daten durch analytische Modelle und künstliche Intelligenz in ausführbare Erkenntnisse umzusetzen.
  3. Eine passgenaue, problemorientierte digitale Kundenansprache, die den Kunden eine selbständige Lösung des Problems zur selbstgewählten Zeit und über den präferierte Kommunikationskanal ermöglicht. 

Diese drei Prinzipien sind der Schlüssel, anbahnende Zahlungsstörungen frühzeitig zu erkennen, und durch schnelle und angemessene Hilfsangebote rechtzeitig zu adressieren. 

Fünf Tipps für die Praxis 

Tipp 1: Warnsignale aus Daten ableiten
Die Bedeutung der Fähigkeit, vulnerable Kunden und finanzielle Überforderung frühzeitig zu erkennen, kann nicht überschätzt werden. Dazu gehört auch, die Ursache der Zahlungsstörung zu verstehen und die voraussichtliche Dauer der Beeinträchtigung abschätzen zu können. Dazu lassen sich sowohl interne als auch externe Daten heranziehen. Wichtig sind insbesondere Informationen zur Nutzung von Kreditlinien und zur Aufnahme und Tilgung von Ratenkrediten, sowie Veränderungen im Zahlungs- und Ausgabeverhalten. Auch Einkommensentwicklung und -stabilität können relevant sein. 

Tipp 2: Klares Bild vom verfügbaren Einkommen verschaffen
Ein detailliertes Verständnis der Einkommens- und Ausgabensituation von zahlungsgestörten Kunden ist zur Bewertung und Adressierung des Problems unerlässlich. Waren solche Daten in der Vergangenheit nur unter erheblichem operativem Aufwand zu beschaffen, hat sich dies mit der Verfügbarkeit von Open Banking geändert. Kunden, die ein Entgegenkommen hinsichtlich ihrer Zahlungsverpflichtungen wünschen, werden einem solchen Kontoblick auch in der Regel zustimmen. Eine vollautomatische digitale Abwicklung von Datenzugriff, Umsatzkategorisierung, Berechnung des verfügbaren Einkommens und Auswertung möglicher Risikofaktoren ist im beiderseitigen Interesse, da sie eine schnelle und unkomplizierte Situationsbewertung ermöglicht und den betroffenen Kunden ein langwieriges und möglicherweise als entblößend empfundenes Gespräch erspart. 

Tipp 3: Kunden über den richtigen Kanal ansprechen
Die effektivsten Interaktionen mit Kunden sind solche, die von Kunden angestoßen und gelenkt werden. Idealerweise bestimmen Kunden dabei auch den Zeitpunkt und den Kanal der Kommunikation. Klare Sprache, relevante Informationen, spezifische Angebote sowie einfache Mechanismen zum Austausch der notwendigen Informationen sind wesentliche Voraussetzungen dafür, dass beide Seiten informierte Entscheidungen treffen können, um eine nachhaltige Lösung der Situation herbeizuführen. 

Für eine effektive automatisierte Kommunikation ist ein echter Omnichannel-Ansatz unerlässlich. Damit ist gemeint, dass eine Kommunikation auf einem Kanal begonnen und auf anderen Kanälen nahtlos fortgeführt werden kann, egal ob es sich dabei um Webseite, mobile App, SMS, Whatsapp, oder Sprachroboter handelt. Auch sollte für die Masse der Geschäftsvorfälle eine abschließende automatisierte Bearbeitung möglich sein. Gleichwohl ist die Möglichkeit eines Absprungs in eine persönliche, manuelle Bearbeitung für ein gutes Kundenerlebnis unerlässlich. 

Tipp 4: Messen, messen, … und nachsteuern
Wie bei allen digitalen Prozessen liegt der Schlüssel zum Erfolg in einer aktiven Prozesskontrolle und dem regelmäßigen, aktiven Nachjustieren der jeweiligen Abläufe und Regeln. Im Kontext von notleidenden Krediten beinhaltet dies eine Überprüfung der Wirksamkeit der jeweiligen Kommunikation, der Zweckmäßigkeit der Prozessschritte sowie eine Kontrolle der Vollständigkeit und der Erfolgsaussichten der angebotenen Zahlungsplanänderungen und Restrukturierungsoptionen.

Tipp 5: Operative Abstimmung
Ein effektives Forderungsmanagement ist davon abhängig, das handelnde Personen, Prozesse, Kommunikation und Technologie abgestimmt agieren und nahtlos ineinandergreifen. Machen Sie dies zu ihrem Zielzustand. Mangelnde Abstimmung oder Ausführung in einem dieser Gebiete führt zu operativer Negation und wirkt sich unmittelbar auf die Restrukturierungsergebnisse aus. Automatische Entscheidungs- und Kommunikationssysteme, flexible Prozesssteuerung und transparente Datenhaltung sind deshalb wesentlich für eine erfolgreiche Steuerung und das erfolgreiche Adressieren von externen Faktoren und verändertem Kundenverhalten.

Tools und Prozesse laufend anpassen

Die Gründe für finanzielle Schwierigkeiten und daraus resultierendes Kundenverhalten verändern sich ständig. Deshalb ist es erforderlich, Werkzeugkasten und Prozesse laufend auf dieses geänderte Verhalten abzustimmen. Dazu ist es unerlässlich, dass Prozesse und Kommunikationsinhalte konfigurierbar sind und von den Fachabteilungen zeitnah und ohne große IT-Projekte angepasst werden können.

Dies ist auch wichtig, weil ein angemessener Umgang mit Zahlungsstörungen zunehmend in den Blickfang der Aufsichtsbehörden gerät. Dem Consumer Duty Act in Großbritannien werden sicher ähnliche Regelungen in anderen europäischen Märkten folgen, welche Darlehensgebern ein noch detaillierteres Eingehen auf die finanzielle Leistungsfähigkeit ihrer zahlungsgestörten Kunden abverlangen. 

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